Andreas Hartmann
Durch die Nacht
: Vom Googeln unbekannter Acts

Foto: privat

Es liegt sicher auch an mir. Dass mir so viele der Acts nichts sagen, die am kommenden Wochenende beim Pop-Kultur-Festival in der Kulturbrauerei und eine Woche später beim Lollapalooza im Olympiastadion auftreten, kommt bestimmt auch daher, dass ich schon lange keine 21 mehr bin, nicht jeden bei Tiktok gefeierten Trap-Star mitbekomme und auch gar nicht mehr versuche, jeden neuen popkulturellen Subtrend nachzuvollziehen.

Aber auf ein Festivalprogramm zu blicken, ohne dass einem allzu viele Namen sofort ins Auge springen, muss ja erst mal nichts Schlechtes sein. Bei meinem Berliner Lieblingsfestival, dem Club Transmediale, fühle ich mich bei all dem mir Unbekannten auch immer leicht verloren. Aber das macht ja den Reiz aus: Da gibt es wirklich noch etwas zu entdecken.

Das Gefühl habe ich beim Lollapalooza so gar nicht. Gut, man kann nicht sagen, dass keine Vielfalt geboten würde. Von Folk über HipHop bis R&B ist wirklich alles dabei, und die österreichische Indieband Bilderbuch finde ich sogar richtig gut. Aber mehr noch als „divers“ würde ich das Konglomerat aus gut 60 Acts als „zusammengeschustert“ bezeichnen. Was bitte haben Mumford & Sons mit David Guetta gemein, die beide am ersten Festivaltag zu erleben sein werden? Außer dass beide ziemlich bekannt sind? Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass Fans der weinerlichen Mumford & Sons sich ernsthaft für den Kirmes-Techno von David Guetta interessieren und umgekehrt. Ich habe eher den Eindruck, dass das Lollapalooza willkürlich und eher planlos zwei Zugpferde verpflichtet hat, die verdecken sollen, dass das restliche Programm mit all den weit unbekannteren Acts ziemlich mau ist.

Beim Popkultur-Festival musste ich, wie gesagt, ebenfalls feststellen, dass ich offensichtlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit bin. Codeine treten auf, die fand ich mal richtig gut. Allerdings hatten die sich bereits Mitte der 90er bis auf Weiteres aufgelöst. Ein wenig traurig fühlt es sich schon an, dass die Veteranen mehr Interesse bei mir auslösen als all die frischen und jungen Acts, die das Festival sonst so zu bieten hat. Aber wenigstens macht es hier mehr Spaß zu googeln, was ich neben so einer Uraltband sonst noch so erleben könnte.

Von Mimi Webb, die beim Lollapalooza auftreten wird, erfahre ich, dass sie aus Großbritannien kommt, Pop macht und via Tiktok bekannt wurde. Lina hat mal Bibi Blocksberg in einem Film gespielt und singt nun auch. So richtig das Gefühl, ich müsste die beiden jetzt unbedingt live sehen, habe ich nicht. Wenn ich dagegen beim Pop-Kultur-Festival einen Act wie 21 downbeat entdecke und erfahre, das bei dieser inklusiven Band einer das Downsyndrom hat und ein anderer im Rollstuhl sitzt, und alle in angeblich anarchistischer Manier Beatles-Songs zum Besten geben, ist mein Interesse geweckt. Ich glaube, beim Pop-Kultur-Festival kann man im positiven Sinne überrascht werden – und sich weitere Googelei nach Bandnamen guten Gewissens sparen.