EGAL, WER REGIERT: BOLIVIEN WIRD NOCH LANGE ARM BLEIBEN: Ohne fremdes Kapital geht nichts
„Bettler auf dem goldenen Thron“ wird Bolivien wegen seiner Bodenschätze oft genannt. Gold-, Silber- und Zinnminen sind zwar großenteils versiegt, aber in den letzten Jahren ist im Tiefland Erdgas entdeckt worden. Dass die Rohstoffe das Land nie reich gemacht haben, sondern eher arm und zum Objekt von Ausbeutung, ist bekannt. Dennoch: Kein anderes Land Lateinamerikas hat in den vergangenen 22 Jahren eine so friedliche, demokratische Entwicklung erlebt wie Bolivien. Auch die wirtschaftliche Entwicklung kann sich durchaus sehen lassen. So paradox es klingt: Die Unruhen der letzten Wochen sind auch ein Ergebnis dieses kontinuierlichen demokratischen Prozesses.
Bei allen Fortschritten: Bolivien ist immer noch ein bettelarmes Land mit einem Durchschnitts-Pro-Kopf-Einkommen von 860 Dollar im Jahr. Und über die Hälfte der Bolivianer kann selbst davon nur träumen. Was sich freilich geändert hat, sind der Zugang zu Information und die Möglichkeit der politischen Teilnahme. Nur mit Mühe konnten die traditionellen Parteien bei den letzten Wahlen verhindern, dass Evo Morales, der Anführer der Kokabauern, Präsident wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er bei den nun zu erwartenden Neuwahlen nun doch Präsident wird – ein Vertreter der Armen, der Campesinos und der Cocaleros.
Sosehr man sich über diesen möglichen Machtwechsel freuen mag, leicht wird es Morales nicht haben – und auch das Land nicht. Es ist eine Illusion, zu glauben, die jetzt geforderte Nationalisierung der Öl- und Erdgasvorkommen werde die ökonomischen Probleme des 9-Millionen-Volks lösen. Auch die Verstaatlichung der Zinnminen nach der Revolution von 1952 hat das nicht vermocht.
Um das Gas aus dem Boden zu holen, sind große Investitionen nötig. Das Geld dazu hat Bolivien nicht. Es ist auf fremdes Kapital angewiesen. Das Land wird also noch lange Bettler bleiben. Und jeder Präsident wird das dem Volk erklären müssen. Der Thron ist so golden nicht und noch dazu ziemlich wacklig. Zu hoffen bleibt, dass er nicht umfällt und dass Bolivien ohne Blutvergießen nach Wegen aus der Armut suchen kann. THOMAS PAMPUCH
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