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an der friedrichstraße
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Die große Salatschüssel des Lebens

Von A wie Arb bis Z wie Zuzù: Der neue Sammelband mit Comic-Kunst aus „Le Monde diplomatique“ ist da

Mit viel „Bzzzz“ und „Bamm“: Ausschnitt der Comicseite von Gabri Molist, 2022

Von Dorothee D’Aprile

Seit 2005 erscheint allmonatlich auf der letzten Zeitungsseite von Le Monde diplomatique ein künstlerischer Comic, der stets von einer anderen Ver­tre­te­r:in aus der internationalen Comic-Szene gestaltet ist. Auftraggeberin ist unsere Comic-Redakteurin Karoline Bofinger, die im Wechsel mit ihrer taz-Kollegin Christiane Voss auch das gesamte Layout der Monatszeitung für internationale Politik macht.

Doch so förmlich wie es vielleicht klingt, sind diese Aufträge gar nicht. Tatsächlich ist die einzige Vorgabe das Format: 284 Millimeter breit x 430 Millimeter hoch. Für uns Text-Redakteur:innen sind Karos Mails mit dem Betreff „comicvorschlag“ immer richtige Überraschungspakete und ein Kontrastprogramm zu den politischen Texten über globale Krisen, Kriege und Konflikte. Und weil viele Comics ein bisschen Text enthalten, nicht selten auf Englisch oder Französisch verfasst, müssen wir auch übersetzen, was ein herausforderndes Vergnügen ist und am besten in Teamarbeit gelingt. Nicht wenige dieser sehr besonderen Comics hängen in unserem Berliner Büro in der Friedrichstraße an der Wand.

Nach 50 Ausgaben erscheint stets ein schön gestaltetes, großformatiges Buch, das der renommierte Berliner Comicbuch-Verlag Reprodukt für uns produziert. Karo akquiriert für die Bände auch jedes Mal ein thematisches, illustriertes Vorwort. Für den ersten Band, „In 50 Comics um die Welt“, schrieben der Illustratoren-Entdecker Armin Abmeier (1940–2012), der übrigens von seiner Frau Rotraut Susanne Berner im Figurenreigen ihrer Jahreszeiten-Wimmelbücher verewigt wurde, und der Kunstkritiker Helmut Kronthaler eine Einführung in die Geschichte des Zeitungs­comics, die am 17. Februar 1895 mit dem Auftritt des Yellow Kid in der Sonntagsbeilage der New York World begann.

Architektur und Comic

Für den zweiten Band, „Comics zur Lage der Welt“, schrieben Jens Balzer und Brigitte Helbling einen Aufsatz über Musik, denn „Comics sind ein rhythmisches Medium, der Beat ist ihr Fundament“. Tatsächlich hören viele Zeich­ne­r:in­nen bei ihrer Arbeit auch Musik. Ihre Lieblingssongs verraten sie unserem Sprecher und DJ Dirk Domin, der LMd nicht nur für das Audioformat einspricht, sondern auf ByteFM auch jeden Monat eine Musiksendung zur jeweils aktuellen LMd-Ausgabe macht: Am Donnerstag vor dem zweiten Freitag im Monat, immer von 12 Uhr bis 13 Uhr.

„Die große Salatschüssel des Lebens“ 50 Comics aus Le Monde diplomatique. Reprodukt Verlag, Berlin 2023, 64 Seiten, 29 Euro

Für den dritten Band, „Fußball, Marx und Tränen“, verfasste der Filmkritiker Georg Seeßlen das Vorwort. Er weist darauf hin, dass 1895 nicht nur der erste Zeitungscomic erschienen ist, sondern auch das Kino geboren wurde, als die Brüder Lumière in jenem Jahr ihre ersten beiden Filme zeigten: „Arbeiter verlassen die Fabrik Lumière“ und „Der begossene Rasensprenger“.

„Die große Salatschüssel des Lebens“ heißt nun der aktuelle Sammelband, für den Mélanie van der Hoorn das Vorwort über die spezielle Seelenverwandtschaft zwischen Architektur und Comic verfasst hat: Mal stehen Gebäude im Zentrum des Geschehens, mal spiegeln sie die Gemütsverfassung der Prot­ago­nis­t:in­nen wider, mal werden sie sogar selbst zum Leben erweckt. Nicht wenige Zeich­ne­r:in­nen haben den Architekturberuf erlernt und üben ihn auch noch aus. Für sie ist die neunte Kunst „eine Art Versuchslabor“, dessen Experimente uns Le­se­r:in­nen immer wieder ins Staunen versetzen und entzücken.