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Das ignorierte X

Foto: Panthermedia/imago

Es gibt ja Twitternutzer und Leute, die entweder nie etwas von diesem „Kurznachrichtendienst im Internet“ gehört haben, weswegen man ihnen immer erklären muss, dass Twitter ein „Kurznachrichtendienst im Internet“ ist, oder Leute, die davon gehört haben und Twitter trotzdem oder gerade deshalb nicht nutzen. Im Zweifel sind die, die Twitter nicht nutzen, die besseren Menschen, und die, die nie etwas davon gehört haben, die noch besseren.

Weil sie die Zeit nicht verplempern mit dem Lesen meistens nur so halbwitziger, viertelkluger Tweets, haltloser Anwürfe, wütender Mitmenschen, populistischer Irrer. Und sie nie in Versuchung geraten, da selbst mitzumachen und etwas zu schreiben, was eine noch viel größere Zeitverplemperung wäre.

Alle, die weiterhin bei Twitter sind, obwohl ein xxx (Bezeichnung vom Autor weggeixt, weil beleidigend, Anm. d. Red.) namens Elon Musk den „Kurznachrichtendienst im Internet“ gekauft hat – meistens sind das Journalisten wie ich –, alle die also reden sich das schön: „mein Fenster zur Welt“, „unerlässliche Quelle für spannende Storys“, „witzig“, „super Sache, nur Musk nervt, aber ich lebe ja auch gern in Deutschland, obwohl die FDP Teil der Ampel ist“.

Twitternutzer sind also gut darin, die Augen zu verschließen. Sie sind harte Hunde und abgestumpft, denn über Musks neueste Aktion haben sie größtenteils nur rumgewitzelt und schulterzuckend hingenommen, dass der Chef den „Kurznachrichtendienst im Internet“ nun in X umbenannt und damit auch das Firmenlogo weggeixt hat. Das war ein munteres, unschuldiges, hellblaues Vögelchen, das wohl sympathischste Symbol aller Social-Media-Dinger im Internet. Jetzt ist das Symbol ein ziemlich hässliches X, das aussieht, als wäre es aus zwei Holzlatten zusammengenagelt worden, die gerade rumlagen und die eigentlich entsorgt werden sollten.

Anders als FAZ-Leser, die wütende Leserbriefe schrieben und reihenweise Abos kündigten, nachdem die Herausgeber die Kommentare mit Fraktur in der Überschrift abgeschafft hatten, ignorieren wir dieses X, spalten das beleidigend unansehnliche Ding auch ab von all den schönen Xen, die uns umgeben: in Vornamen etwa (siehe Autorenzeile, Anm. d. Red.) oder in Liebesbriefen, in denen man das passende Kästchen mit einem X ankreuzt („Willst Du mit mir gehen? Ja/Nein/Vielleicht).

Wären wir Twitternutzer nicht so gelassen oder auch abgestumpft, dann würden wir uns XXL-mäßig aufregen, so aber erinnern wir uns an das X, das als Lautschriftzeichen des Internationalen Phonetischen Alphabets für den stimmlosen velaren Frikativ steht und denken uns „Ach [ax], was soll’s“ und bilden das „ch“ [x] voller Wonne als gegen Elon Musk gerichteten Reibelaut am hinteren Zungenrücken. Dabei warten wir geduldig darauf, dass Musk eines Tages die Lust an Twitter verliert und das Vögelchen zurückkehrt. Felix Zimmermann

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