Halleluja!?

Ein Jauchzen neulich in Berlin, ausgebracht von einer Frau, die aus dem Haus treten will. Warum, worüber freut sie sich so klar und deutlich? Der Anlass ist ein inzwischen seltener: Es regnet, und es regnet nicht nur, es schüttet, wie in New Orleans regelmäßig oder in Mumbai zur Monsunzeit. Es kommt vom Himmel wie aus geöffneten Schleusen, scheinbar ohne Ende, manche Straßen sind danach überflutet.

Vorher war erdrückende Schwüle, die Luft lastete auf den Körpern wie schweres Gepäck, Temperaturen von mehr als 30 Grad, nachts auch keine richtige Frische. Nun: Regen.

Personen, die aus U-Bahn-Ausgängen kommen, spannen nicht einmal ihre Schirme auf – so sehr wird diese klimatische Abwechslung begrüßt. Hinein in den Schauer, mit Wonne. So halten es auch andere in der Hauptstadt, einen Moment begrüßend, der früher jeden Sommer störte, bei dem man sich einst nur dessen Ende herbeiwünschte und sich fragte, wann es, vielbesungen, „mal wieder richtig Sommer“ würde.

Doch auch der Regen selbst hat die Popmusik bereichert. Auf melancholische Weise, wie in Travis' Indieschlager „Why Does It Always Rain on Me?“, hoffnungsfroh wie in „Raindrops Keep Fallin' on My Head“ – und auch gewisse Fluten vergötternd und umarmend wie bei den Weather Girls: „It’s Raining Men“!

Halleluja!

Oder?

Regen ist der Dünger schlechthin, eigentlich. Ohne Wasser kein Leben. Wir sehnen Regen (und Wind, der die Luft kühlt) herbei – und vergessen, dass eben dieser Stoff vor knapp zwei Jahren im Ahrtal eine Katastrophe bedeutete und aus einer putzigen Landschaft eine schmierige, noch lange versehrte Ödnis machte.

Foto: Hauke-Christian Dittrich/picture alliance

Unsere Sommer sind tropischer geworden, den Klimawandel zu leugnen zählt längst zu den größten politischen Albernheiten aktueller Art. Kommt hinzu: Böden werden versiegelt, immer noch, als gälte es, alle natürlichen Abfließmöglichkeiten zu verpflastern. Regen kann nicht mehr versickern, die Landschaften sind zu trocken, das Wasser richtet zugleich Schaden an. So wie neulich in der Toskana. Jahrhundertelang kultivierte Erde weggeschwemmt, die Arbeit von akkurat bestellter Landschaft für die Obst- und Gemüseernten zunichte gemacht. Und gleichzeitig Frankreich, wo das Funktionieren von AKWs an Kühlwasser geknüpft ist, das kaum noch vorhanden ist, weil es am Regen fehlt. Das Klima ist ein toxisches geworden. Wo es früher Anfang Juli noch grüne Flächen gab, etwa rund um Berlin, sieht man jetzt schon bräunliche Steppe.

Wasser ist knapp, auch wenn es schüttet wie aus Eimern. Wer jetzt noch darauf pocht, den Pool hinterm Eigenheim zu befüllen, ist rücksichtslos. Und wer keine klimatransformatische Politik will, hat nichts verstanden. Vor allem nicht, dass die Freude am Sommerstarkregen eine auch bitter eingetrübte sein sollte. Jan Feddersen