Die Wahrheit: Klandestines Büro hinterm Bahnhof
Hat man endlich die "Vermittlungsstelle" hinter einem "unscheinbaren" Etablissement entdeckt, geht es gnadenlos bürokratisch weiter und weiter.
A us einer geheimen Seitentür des Bahnhofs trat ich am Morgen ins Freie. Ich trug einen Koffer, der meine gesamte weltliche Habe enthielt. Ausgestattet mit einer neuen Identität und einem Stadtplan, machte ich mich auf den Weg zu der geheimen Vermittlungsstelle, wo mir sowohl Unterkunft als auch Verdienstmöglichkeit zugeteilt werden sollten.
Ich durchquerte die trockenen Bereiche der teilweise überfluteten Innenstadt. An manchen Stellen reichte das Wasser den Fußgängern bis ans Kinn, doch wirkten sie, als sei dies absolut nichts Ungewöhnliches für sie. Von Weitem gewann ich den Eindruck, die Köpfe der Menschen schwebten über die Wasseroberfläche hinweg.
Die Vermittlungsstelle verbarg sich hinter einem unscheinbaren Tabakwarenladen. Nachdem ich dessen Inhaberin mein Passwort genannt hatte, schickte sie mich mit der Anweisung „zweite Tür links“ auf den Flur hinter dem Laden. Ich klopfte an die besagte Tür. Von drinnen war ein Laut zu hören, den ich als Aufforderung zum Eintreten interpretierte. Ich öffnete die Tür und blieb gleich wieder stehen.
Der Raum vor mir war fast gänzlich von in zwei Reihen aufgestellten Büromöbeln ausgefüllt. Die vier oder fünf an Schreibtischen sitzenden bebrillten Männer und Frauen, die in dicken Büchern blätterten und das dort Gelesene mit zahlreichen vor ihnen an Tafeln befestigten Listen verglichen, passten soeben hinein, doch für mich gab es keinen Platz.
Altertümlich aussehender Kontorist
Im Zentrum dieser Landschaft stand ein großer runder Abfallbehälter aus Blech. Links davon erhob sich hinter seinem Schreibtisch ein altertümlich aussehender Kontorist, offensichtlich der Bürovorsteher. Indem er ein auf der Tischplatte liegendes Schriftstück mit dem ausgestreckten linken Zeigefinger berührte, sah er mich an. Auch ihm nannte ich mein Passwort. „Ich weiß Bescheid“, erwiderte der Bürovorsteher.
Eine Sachbearbeiterin überreichte mir einen auf eine Schreibunterlage geklemmten Fragebogen samt Stift. „Bitte ausfüllen, ohne lange zu überlegen“, sagte sie. Die Fragen waren völlig unverständlich, und so dementsprechend fielen meine Antworten aus. Das Ausfüllen war schnell erledigt.
Die Sachbearbeiterin legte den Bogen dem Bürovorsteher vor, der meine Angaben überflog, um sie dann mit denen auf einer Liste zu vergleichen. Zuletzt schrieb er etwas auf ein Stück Papier und gab es der Sachbearbeiterin. Sie leitete den Zettel an mich weiter mit der Anweisung: „Geben Sie das dem Psychologen im Büro nebenan.“
Nachdem ich dies getan hatte, versetzte mich der Psychologe in Hypnose. Er nannte mir einen nach dem Zufallsprinzip generierten Satz, mit dem ich später auf eine bestimmte Frage meines neuen Arbeitgebers antworten sollte. Aus Gründen strengster Geheimhaltung kann ich hier leider keine Angaben dazu machen, wie der Satz lautete.
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