Sitzen gelassen in Niedersachsen

In einem Ranking des ÖPNV landet das Bundesland auf dem drittletzten Platz. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind noch schlechter dran

Nicht gerade ein Verkehrs-Knotenpunkt: Niedersächsische Bushaltestelle Foto: Philipp Schulze/dpa

Von Nadine Conti

Dörfer, in denen nur zweimal am Tag ein Schulbus hält und die Bushaltestelle ansonsten allenfalls als Trinkertreff funktioniert – davon gibt es in Niedersachsen so einige. Nur in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ist es noch schlimmer: Das ergibt eine aktuelle Analyse der ÖPNV-Erreichbarkeit im bundesweiten Vergleich.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) analysiert regelmäßig, wie viel Prozent der Bevölkerung einen guten Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) haben. Als gut gilt der, wenn man zu Fuß innerhalb von 8 bis 10 Minuten die nächste Bushaltestelle erreicht oder einen Bahnhof in 16 bis 20 Minuten. Allerdings nur, wenn dort auch 20 Mal am Werktag (mindestens 10 Abfahrten je Richtung) etwas fährt.

Das verteilt sich naturgemäß ganz unterschiedlich: Städte und Ballungsräume schneiden gut ab, der dünn besiedelte ländliche Raum eher nicht. In Berlin, Hamburg und Bremen wohnen nahezu 100 Prozent der Bewohnerinnen nah genug an der nächsten Haltestelle. Bei den anderen Bundesländern weisen Baden-Württemberg, das Saarland, Hessen und Nordrhein-Westfalen hohe Anteile (94 bis 95 Prozent) an gut angebundenen Wohnlagen auf, schreibt das Bundesinstitut.

Im Ländervergleich am geringsten sind die Anteile von Menschen, die schnell einen gut befahrenen (Bus-)Bahnhof erreichen, dagegen in Bayern, Niedersachsen und Brandenburg (80 bis 83 Prozent). Mecklenburg-Vorpommern bildet das Schlusslicht mit 72 Prozent.

Innerhalb Niedersachsens sieht es vor allem im Nordwesten finster aus: Die Landkreise Cuxhaven, Cloppenburg, Vechta und Leer schneiden mit Anteilen zwischen 37 (Cuxhaven) und 51 (Leer) am schlechtesten ab. Hier hat also nur jeder dritte bis jeder zweite Einwohner einen ÖPNV-Anschluss, der der Rede wert ist.

Allerdings muss man berücksichtigen, dass so genannte On-Demand-Verkehre – also Sammeltaxen, Rufbusse oder Sprinter – in der Auswertung des Bundesinstituts nicht mitgezählt werden. Das BBSR wertet nur Fahrplandaten aus und führt sie mit Bevölkerungszahlen zusammen. In Niedersachsen gibt es aber einige Regionen und Verkehrsverbünde, die auf On-Demand-Lösungen setzen, wo Linienverkehre nicht wirtschaftlich zu betreiben sind.

Insgesamt sind die Ergebnisse der aktuellen Analyse nicht besonders überraschend. Auch im Zusammenhang mit dem Neun- und dem 49-Euro-Ticket wurde die Benachteiligung des ländlichen Raumes immer wieder diskutiert.

Die Grüne Jugend fordert prompt eine „Mobilitätsgarantie“ wie sie auch im Koalitionsvertrag steht. „Rot- Grün hat sich im Koalitionsvertrag auf die schrittweise Einführung einer Mobilitätsgarantie geeinigt, die allen Menschen ein Angebot des Öffentlichen Nahverkaufs pro Stunde zusichert“, sagt Grüne Jugend-Sprecher Felix Hötker. Zu sehen sei davon bisher nichts. „Wir erwarten von Verkehrsminister Lies, Menschen im ländlichen Raum nicht länger im Regen stehen zu lassen und die Mobilitätsgarantie endlich auf den Weg zu bringen“, sagt Hötker. Die Verkehrswende diene schließlich nicht nur dem Klimaschutz, sondern sei auch ein Beitrag gegen soziale Verwerfungen.

„Wir erwarten von Olaf Lies, Menschen im ländlichen Raum nicht länger im Regen stehen zu lassen“

Felix Hötker, Grüne Jugend

Auch die Allianz Pro Schiene verweist darauf, dass die im Ranking erfolgreicheren Flächenländer eine solche Mobilitätsgarantie zum Teil schon umgesetzt haben.

Außerdem drängt der Verband auf weitere Bahnstreckenaktivierungen. Im niedersächsischen Verkehrsministerium brütet aktuell ein Lenkungskreis über Streckenvorschlägen. Pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege hofft, dass dabei mehr herauskommt als beim letzten Mal: „Wir gehen davon aus, dass jetzt deutlich mehr Reaktivierungs-Projekte positiv bewertet werden als bei der letzten Untersuchung 2015.“

Von 2013 bis 2015 hatte es schon einmal einen solchen Anlauf gegeben, ebenfalls unter Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Das Ergebnis war damals aber eher enttäuschend: LEdiglich drei Bahnstrecken bestanden die umfängliche Prüfung, nur zwei davon wurden tatsächlich reaktiviert. Anfang Juni meldete das Ministerium, dass dieses Mal 54 Strecken in die weitere Prüfung gehen.