taz wird
: Kampf um vier Quadrat­meter

Der Fall Kühne+Nagel: Der taz salon diskutiert, wie Erinnerungskultur ermöglicht werden kann

Am Anfang stand eine taz-Recherche zur NS-Vergangenheit des Bremer Logistikkonzerns Kühne+Nagel, am Ende steht ein „Arisierungs“-Mahnmal sozusagen vor dessen Haustür; aber auch Erfahrungen über Verbündete, Zögerliche und Geg­ne­r:in­nen im Kampf um die Erinnerung. Über diesen Weg werden sich heute Abend Henning Bleyl, Evin Oettingshausen und Grigori Pantijelev austauschen; taz-Redakteur Jean-Philipp Baeck moderiert das Gespräch.

Auch Henning Bleyl war lange taz-Redakteur, und als solcher hat er sich mit der mangelnden Bereitschaft von Kühne+Nagel beschäftigt, die Firmengeschichte aufzuarbeiten, insbesondere die Verstrickungen mit dem NS-Regime. Heute leitet er die Bremer Heinrich-Böll-Stiftung – und er ist derjenige, der die Mahnmals-Idee auf den Weg gebracht hat.

taz Salon „Wer vom Raub an den Juden profitiert hat“ mit Henning Bleyl, Grigori Pantijelev (Jüdische Gemeinde) und Evin Oettingshausen: heute, 19 Uhr, Theaterschiff Bremen, Tiefer 104/Anleger 4; Rundgang zum Mahnmal­standort um 18 Uhr;

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: https://taz.de/!5935099

Kühne+Nagel war nicht bereit, Außenstehenden die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte anzuvertrauen, also galt es, Verbündete für ein anderes Gedenken zu finden. Welche Schwierigkeiten das auch über 80 Jahre später macht, ist bemerkenswert: Es liegt vermutlich auch, aber nicht nur daran, dass den Konzern der Erbe Klaus-Michael Kühne verkörpert, Milliardär, Steuersparer in der Schweiz, aber auch Kunstmäzen und Großsponsor des Fußball-Zweitligisten Hamburger Sportverein (HSV).

Ein bisschen David-gegen-Goliath-Gefühl also – was vielleicht erklärt, warum taz-Leser:innen und Ge­nos­s:in­nen im Rekordtempo 15.000 Euro spendeten. Die Stadt Bremen weigerte sich aber erst einmal, die angefragten vier Quadrat­meter Grund in bester Lage zu verkaufen. Es folgte die Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde, es folgte aber auch mühsame Überzeugungsarbeit in Gremien aller Art. Am Ende aber stand ein Beschluss aller Bürgerschaftsfraktionen: ein Votum für ein Mahnmal.

Ein bisschen David-gegen-Goliath-Gefühl

In dem von der taz ausgeschriebenen Gestaltungswettbewerb setzte sich der Entwurf von Evin Oettingshausen durch: ein tiefer Schacht mit Einblicken von oben und den Seiten, an dessen Wänden Schatten an die geraubten Möbel erinnern. Eingeweiht wird das Denkmal voraussichtlich im September – aber man kann bereits Spuren der Debatte in Bremen finden: Masterarbeiten sind entstanden, künstlerische Aktionen, Radioreportagen und Regionalromane. Friederike Gräff