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: „Bis heute ist Musik verboten, die positiv stimmt“

Wie Kino die Zensur unterläuft, erkundet die neue Folge der Gesprächsreihe „Im Fokus Iran“ des Körber-Forums Hamburg

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Roshanai, Sie diskutieren, wie iranische Filme regimekritische Botschaften an der Zensur vorbeischmuggeln. Mit welchen Mitteln wird da gearbeitet?

Bahar Roshanai: Die Menschen im Iran sind ähnlich filmbegeistert wie die in Frankreich oder Indien. Traditionell ist die Filmszene dort sehr aktiv, aber die Filme werden sehr stark zensiert. So dürfen sie etwa keine Szenen zeigen, in denen Männer und Frauen sich berühren. Aber wenn ich dort in den letzten Jahren im Kino war, konnte ich nur staunen, denn mit diesen Verboten wird gespielt: Wenn da zum Beispiel ein Mann und eine Frau aus einem Raum gehen, wird zwar gar nichts gezeigt, aber es regt die Fantasie an.

Können Sie das an einem konkreten Beispiel erklären?

Im Film „The White Meadows“ von Mohammad Rasoulof gibt es einen Menschen, der in einem Dorf die Tränen der Dorfbewohner einsammelt und dann mit ihnen die Füße eines Geistlichen wäscht. Das hat eine große symbolische Kraft, denn jeder Iraner, der das sah, wusste, dass damit Khomeini gemeint war. Ich habe den Film damals im Kino gesehen und an den Geräuschen konnte ich erkennen, dass alle geweint haben.

Foto: Claudia Höhne

Bahar Roshanai

Musikerin, 1981 in Teheran geboren, ist seit 2019 bei der Körber-Stiftung für Musik und Musikvermittlungsprojekte zuständig.

Nun sind Sie als Musikerin gerade auch an Filmmusik interessiert – ein heikles Thema im islamischen Staat …

Nach der Revolution gab es ein paar Jahre lang ein absolutes Musikverbot. Als ich drei oder vier Jahre alt war, wurde im Fernsehen, wenn vom Irak-Iran-Krieg berichtet wurde, eine Musik gespielt, die so schrecklich traurig war, dass ich als Kind dabei immer geweint habe. Bis heute ist im Iran Musik verboten, die das Gemüt der Menschen positiv stimmt: alles was fröhlich klingt oder einen Rhythmus hat, der dazu animieren könnte, sich zu bewegen. Das Tanzen in der Öffentlichkeit ist ja auch verboten.

Einer der Gäste auf Ihrem Podium ist Regisseur und Autor Mohammad Farokhmanesh. Was berichtet er über die Lage der Filmszene?

In Focus Iran #4 Film als verschlüsselter Protest, Donnerstag, 22. 6., 19 Uhr, Körber-Forum, Kehrwieder 12, Hamburg. Eine Anmeldung auf koerber-stiftung.de ist erforderlich

Er hat mir gesagt, unser iranisches Kino sei tot: Viele Schauspielerinnen hatten sich mit den Protesten solidarisiert und öffentlich ihre Kopftücher abgelegt. Sie sind jetzt arbeitslos. Auch vielen Re­gis­seu­r*in­nen ist die Existenz weggebrochen, denn sie wollen nur noch Filme machen, die zeigen, wie dreckig das System ist. Das ist ein großer Einschnitt. Iranisches Kino findet jetzt nur noch im Ausland statt.

Hat sich durch die Proteste auch Ihr eigenes Leben verändert?

Alle, die sich gegen das Regime gewendet haben, sind jetzt gefährdet. Ich kann nicht mehr in den Iran reisen und meine Familie besuchen. Seit ich mich mit den Protesten solidarisiert habe, bin ich eine Exilantin. Das ist eine neue Erfahrung. Sogar in Deutschland fühle ich mich nicht mehr sicher. Die iranische Regierung macht es Ira­ne­r*in­nen auch im Ausland schwer: Freunde und Freundinnen von mir sind bedroht worden. Aber wir haben hier die Verantwortung, immer wieder zu sagen: Bitte schaut nicht weg.