Stadtgespräch Jürgen Vogt aus Buenos Aires
: Zwischen dem letzten und dem ersten Flieger: Auf dem städtischen Flughafen suchen Obdachlose eine sichere Nachtruhe

Neulich haben sie hier eine junge Frau festgenommen“, sagt José beim Sortieren der Zeitungen und Magazine. Sein Kiosk befindet sich im Gebäude des Stadtflughafens von Buenos Aires. „Die Frau war über die Notfalltreppe zum Kontrollturm hochgeklettert.“ Sie sei wohl verwirrt gewesen, hieß es in den Medien, und dass sie wahrscheinlich zu den Dutzenden von Obdachlosen gehöre, die hier jede Nacht schlafen. „Unser Empfangskomitee der Ausgeschlossenen“, sagt José und sieht dabei besorgt aus.

Das Terminal des Aeroparque Metropolitano der argentinischen Hauptstadt ist ein Zweckbau, der sich als langes Rechteck am Ufer des Río de la Plata entlangzieht und den die Ankommenden und Abfliegenden aller Inlandsflüge durchlaufen. Entsprechend groß ist das Kommen und Gehen.

„Hier habe ich einen Platz zum Schlafen, ein Dach über dem Kopf und fühle mich sicher“, sagt Mauricio, der sich in einer der Ecken des Terminals seinen Schlafplatz hergerichtet hat. Als er seine Miete nicht mehr zahlen konnte, landete er auf der Straße, erzählt der 45-Jährige. Als er vor drei Monaten das erste Mal in den Flughafen kam, seien sie etwa 50 Obdachlose gewesen. Mit Beginn der kälteren Jahreszeit stieg die Zahl. „Jetzt sind wir etwa 150“, schätzt er, und: „In Retiro wird man nachts jetzt rausgeworfen, aber hier kann man bleiben.“

Retiro ist der nahegelegene Bahnhof, von dem die Vorstadtzüge in Richtung Norden abgehen. Bei der Renovierung des Bahnhofsgebäudes wurden Tore an den zuvor offenen Eingängen angebracht. Die werden nun jede Nacht geschlossen. Dagegen ist das Flughafengebäude rund um die Uhr geöffnet, auch wenn es nachts keinen Flugverkehr gibt. Morgens, vor dem ersten Flieger, verlassen die meisten Obdachlosen das Gebäude wieder.

Auch Mauricio. „Ich gehe in ein Obdachlosenasyl im Stadtteil Once. Dort kann man duschen und frühstücken, aber man muss sich mit 150, 200 Leuten anstellen“, sagt er. Es gebe immer mehr Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können. Abends geht er dann wieder zum Flughafen. „Inzwischen sind hier auch viel mehr Frauen als früher“, sagt er. Aber keine Kinder. Die würden sofort in eines der Centros de Inclusión Social gebracht werden. „Deshalb sind hier nur erwachsene Obdachlose.“

„Die AA2000 ist verpflichtet, Gleichheit, freien Zugang und Nichtdiskriminierung bei der Nutzung der Flughafeneinrichtungen zu gewährleisten“, erklärt die Betreiberfirma Aeropuertos Argentina 2000. Man wisse, dass hier jede Nacht Menschen auf einer Pappe oder einer Decke schlafen. „Der Aeroparque ist ein öffentlicher Raum“, man habe keine Polizeigewalt und dürfe niemand vertreiben. Allerdings gebe es die stillschweigende Übereinkunft, dass gehen muss, wer Probleme verursacht. Für die Sicherheit im Terminal sei die Flughafenpolizei zuständig, die wiederum der Stadtregierung von Buenos Aires untersteht.

Auch in städtischen Wohnungsbehörde kennt man die Situation, verschanzt sich aber hinter einer ungenauen Datenlage. „Es gibt keine spezifische Untersuchung über die im Aeroparque schlafenden Menschen“, heißt es, man verspricht zugleich: „Wir werden mit der Arbeit an diesem Ort beginnen.“ Ein Zutrittsverbot für Obdachlose kann auch die Wohnungsbehörde nicht verhängen. Das Flughafengebäude sei nun mal ein öffentlicher Raum, heißt es, und das gelte auch für die Obdachlosen in Buenos Aires.

Von denen weigern sich viele, in einer der 44 Obdachlosenunterkünfte der Stadt zu übernachten. Das seien Gefängnisse mit täglichem Freigang, so der Tenor. „Dort wird geklaut, und alle möglichen Drogen schwirren herum“, sagt Mauricio. Er habe das auch schon mehrfach den städtischen Sozialarbeitenden berichtet, die regelmäßig auch zum Flughafen kommen.

„Hier, im Terminal fühle ich mich sicherer“, meint er – und wünscht gute Nacht.