Die Wahrheit: Verrauchtes Gasgeld

Kippen für 20 Pence? Gaszähler mit Münzeinwurf? Eines dieser beiden Begebenheiten gibt es immer noch.

Neulich beim Aufräumen fand ich ein Dutzend irischer 5-Pence-Münzen in einer Zigarettenschachtel. Der Fund stammte aus einer Zeit, als die Münzen noch gültig waren und ich noch rauchte.

Bei meiner ersten Reise nach Irland übernachtete ich bei einer Bekannten in der Dubliner Innenstadt. Die Wohnung lag über einer Kneipe, das Haus war baufällig, die Bude hätte eigentlich nicht vermietet werden dürfen. Da es nichts Schriftliches gab und der mündliche Mietvertrag auf Misstrauen basierte, hatte der Vermieter einen Gaszähler mit Münzeinwurf eingebaut. Man musste 5-Pence-Münzen parat haben, wollte man die Kartoffeln nicht halbgar essen, weil das Gas versiegte.

Meine Bekannte und ich balgten uns um die Münzen: Sie benötigte sie für den Gaszähler, ich wollte einen Vorrat nach Berlin mitnehmen. Mir hatte jemand den Tipp gegeben, dass die irischen und englischen 5-Pence-Münzen dieselbe Größe und dasselbe Gewicht wie eine 1-Mark-Münze hatten. Die war achtmal so viel wert. Die ausländischen Münzen passten in Berlin in Zigaretten- und Getränkeautomaten, in Telefonzellen, Kondommaschinen und Fahrkartenautomaten.

In Spandau, wo ich damals wohnte, war die Sache bald vorbei, weil die dort stationierten britischen Soldaten den Trick ebenfalls kannten und die Automaten damit vollstopften, sodass diese rasch modernisiert wurden. Ich zog nach Steglitz, allerdings nicht wegen der 5-Pence-Münzen. In einer Winternacht gingen mir die Kippen aus, und weil Steglitz ein dröger Bezirk ist, waren alle Läden und Wirtshäuser längst geschlossen.

8 DM

Ich versuchte es mit meinen 5-Pence-Münzen an einem Automaten, aber er schluckte das Geld und spuckte nichts aus. Als ich von Entzugserscheinungen geplagt verzweifelt gegen den Kasten hämmerte, fielen acht Markstücke heraus. Ich lief zum nächsten Automaten, zog zwei Schachteln, setzte mich auf eine verschneite Bank und rauchte zur Beruhigung drei Kippen.

Die Automaten in Deutschland sind längst zu schlau, als dass sie 5-Pence-Münzen akzeptierten. Auch in England stehen sie nicht mehr hoch im Kurs, obwohl die Gaswerke bei säumigen Kunden nach wie vor Gas- und Stromzähler mit Münzeinwurf zwangseinbauen lassen. Im vorigen Jahr traf es 600.000 Haushalte – über 50 Prozent mehr als im Vorjahr. In manchen Fällen brachen Installateure in die Wohnungen ein, als die Bewohner abwesend waren.

Die Tory-Regierung hat nun Mitleid mit ihnen. Jedenfalls mit den älteren unter den Opfern. Künftig dürfen solche Münzzähler bei Menschen über 85 Jahren nicht mehr eingebaut werden. Die Senioren können beantragen, dass sie ihre Heizung fortan auf Rechnung betreiben dürfen. Dass ihre Eltern den Antrag unterschreiben müssen, wie ein Mitglied der End Fuel Poverty Coalition nassforsch behauptete, bestritt ein Regierungssprecher.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.