Wenn die Gedanken abgehört werden

Nicht schon wieder! Nicht schon wieder so ein von hinten sich anschleichender Radfahrer, ganz plötzlich aus toten Winkeln heraus durchs Blickfeld schlängelnd, und das alles, klar, auf dem Gehweg. „Und für eine Klingel war wirklich kein Platz mehr?“, denke ich verärgert, sage aber nichts. Vielleicht weil ich es ja selbst weiß: Hätte er geklingelt, ich wäre weniger erschrocken, aber es hätte nichts fundamental geändert – nicht an meiner Unterstellung, da fühle sich einer berechtigt zu fahren, wo er will, weil er sich ja täglich opfert, für den Planeten jetzt, während wir anderen bloß die Füße voreinander setzende Schlafschafe sind. Und auch nicht abgekühlt wäre meine eigene, natürlich höchst rechtschaffene Empörung ob solcher moralischer Selbstbedienung.

„Dasis hier kein Radweg!“, ruft es plötzlich; ganz real, außerhalb meines Kopfes: Ein alter Mann ermahnt den Rad-Rebellen, der sich herausstellt als selbst kein bisschen präpotent, vielmehr sehr müde wirkt, die abgewirtschaftet wirkenden Satteltaschen voller Einwegpfandgut. Ich schäme mich etwas. So wie der freiwillige Ordnungshüter will man ja nun auch wieder nicht enden. Alexander Diehl

Hamburg-St. Pauli

22.000 Ein­wohner*innen, ein Stadtteil voller ­Klischees, suchen Sie sich eins aus – oder fahren mal selbst wieder hin.