kritisch gesehen: simon denny und agnieszka kurant im kunstverein hannover
: Zu intelligent für die Kunst

Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Sehen manche darin ein tolles Instrument zur Akkumulation weltweit verfügbaren Wissens und zur Produktivitätssteigerung, befürchten andere nur ein weiteres Teufelszeug, das den Menschen, seine individuelle Entscheidungskompetenz und seine Kreativität immer überflüssiger machen könnte. Aber wie blickt eine schöpferische Disziplin wie die bildende Kunst denn selbst auf ihre Konkurrenz in Gestalt der KI?

Hier scheint sich ein Paradigmenwechsel anzudeuten. Denn während der Kunstverein Hannover 2019 seine systemkritische Ausstellung „Artistic Intelligence“ eine ebenso skeptische Fachtagung zur KI im Kunst- und Kultursektor begleiten ließ, zeigt der neue Direktor Christoph Platz-Gallus wenig Berührungsängste. Eher im Gegenteil: Er scheint eine spielerische Lust zu haben an Artefakten aus den digitalen Welten. Eine Doppelausstellung stellt in Hannover zwei aktuelle Positionen gegenüber, die mit avancierten Technologien und Phänomenen des Virtuellen arbeiten.Simon Denny, 1982 in Neuseeland geboren, Absolvent der Frankfurter Städelschule und Professor für Zeitbezogene Medien an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, beschäftigt sich in einer aktuellen Werkserie mit Landschaften des Metaverse. Mehrere konkurrierende Firmen bieten mittlerweile solch virtuelle Welten an, in denen man, natürlich gegen harte Währung, so etwas wie Grundstücke, Immobilien oder andere Eigentumsanteile erwerben kann.

Diese „Universen“ kommen in unterschiedlicher Aufmachung daher. Ein Anbieter ermöglicht offensichtlich eine pittoreske Spielart konventionellen Städtebaus mit Topografie, Straße und Parzellen, ein anderer, Sandbox geheißen, macht seinem Namen alle Ehre, scheint ihm doch eine schematische Rasteranordnung auszureichen. Allen eigen ist der koloniale Zugriff vollständiger Verfügbarkeit und uneingeschränkter Gestaltbarkeit des Angebotenen und zu Erwerbenden – zur spekulativen Profitmaximierung, um die es letztlich bei all den Händeln im Internet ja nur geht. Denny dreht den Spieß um und kreiert aus virtuell aufgespürten Schemen nun ganz handfeste materielle Kunst. Er collagiert und verfremdet seine digitalen Schnipsel, transportiert sie mittels UV-Druck auf die klassische Leinwand, die er mit zusätzlichen Farbaufträgen gestisch malerisch weiterbearbeitet. Seine Flachwaren erinnern an archaische Landkarten oder im Druck verunglückte Stadtpläne. Ihre motivischen Ursprünge sind irrelevant geworden.Bewusst lapidar bleibt ihre Präsentation.

Dass es außer der menschlichen und der künstlichen Intelligenz auch eine der Tiere und Pflanzen gibt, demonstriert die 1978 in Polen geborene, in New York lebende Künstlerin Agnieszka Kurant. So gibt sie afrikanischen Termiten buntes Baumaterial für ihre Hügelformationen oder konfrontiert einen uralten japanischen Bonsai mit der algorithmischen Vorhersage seiner zukünftigen Wuchsform. Deren Plumpheit allerdings straft das hochästhetische, lebendige Wesen mehr als nur Lügen.

Bettina Maria Brosowsky

Kunstverein Hannover, bis 16. 7.