Film über den Künstler Thomas Schütte: Für die richtige Zerknirschung
Filmemacherin Corinna Belz hat bereits den Künstler Gerhard Richter porträtiert, nun wagt sie sich vorsichtig an den Bildhauer Thomas Schütte heran.
Es ist ein Film über Material. Über das Quietschen des Drahts, wenn er durch dichtes Styropor schneidet, über das Knacken des Knäckebrots, während der Künstler an seinen Skizzen sinniert oder über die Mundbinde im erschlafften Gesicht des verstorbenen Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer.
Umgeben von Dingen und Stoffen ist der Bildhauer Thomas Schütte im Filmporträt von Corinna Belz, und von vielen Werkstatt- und Ateliermitarbeitern, die mit dem gleichen Machertum wie Schütte aus all dem rohen Material fertige Bilder formen. „Ich bin nicht allein“ nennt Belz sinngemäß ihren Film über den im Rheinland lebenden Bildhauer.
Schütte ist international bekannt für so unterschiedliche und humorvolle Werke wie seine Kirschsäule in Münster, seine Keramikköpfe von halb wiedererkennbaren, halb imaginierten Diktatoren, oder aber auch für den Entwurf ganzer Gebäude. Als Kartoffelchip wurde sein Bau für die Skulpturenhalle in Neuss einmal in einer Architekturkritik bezeichnet. Im Film lernt man: Schütte dachte dabei vielmehr an den Deckel einer Butterdose.
Es geht lakonisch zu bei Thomas Schütte. Und Corinna Belz hat für ihr Filmporträt eine ebenso runtergebrochene Erzählweise gefunden. Es kommt ohne überraschende Cuts aus, ohne historische Einblendungen, wie sie es etwa noch 2011 in ihrem Film über den bundesdeutschem Malerfürsten Gerhard Richter gemacht hat. Belz wandert schlicht die Entstehung einer Skulptur ab, Schüttes „Nixe“, von der ersten Bild-idee anhand eines vielleicht 30 Zentimeter hohen Rohlings bis zu ihrer Fertigstellung als Meerjungfrau aus Bronze.
„Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“. Regie: Corinna Belz. Deutschland 2023, 95 Min., ZDF Mediathek
Einem eigentlich unantastbaren Material, wie der Künstler in der Mitte des Films einschiebt, das galt lang als Kitsch. Trotzdem – ein Wort, das häufig bei den künstlerischen Entscheidungen Schüttes fallen muss – Bronze. Die teuer ist und deren Herstellungsprozess aufwendig.
Über Wochen also verfolgt man, wie die Nixe in verschiedenen Ateliers und Werkstätten zwischen Köln und Mülheim an der Ruhr erdacht, skizziert, gebaut, gescannt, vergrößert, mühevoll gefräst, geglättet und gegossen wird, bis sie letztlich im Herbst 2021 als Big Girl aus dem Ozean mit knautschigem Gesicht und der tapsigen Gebärde eines Kleinkinds drei Meter hoch in der New Yorker Galerie Peter Freeman Inc. steht.
Obwohl, jenes finale Bild aus New York stellt Corinna Belz dann doch schon an den Anfang ihres Films und überlässt es an seinem Ende der Erinnerung, wie die bei ihrer Entstehung zu beobachtenden Einzelteile vollendet im Galerieraum stehen.
Dieser ist einer von wenigen Kunstgriffen im Film, ebenso sind es die immer wieder eingeblendeten Szenen, in denen Schütte Fotos und Skizzen seiner vergangenen Skulpturenprojekte aus dem persönlichen Archiv holt: den Entwurf für einen eigenen Grabstein von 1981, die Totenmaske seines Galeristen Konrad Fischer von 1997, der „Mann im Matsch“ von 2007. Punktuell wird dann seine künstlerische Biografie nachgezeichnet.
Von der Regisseurin ist das alles sehr feinsinnig komponiert. Vielleicht zu sehr komponiert für das Porträt eines Künstlers, der zwar präzise, aber gleichsam freimütig arbeitet, der häufig die unkalkulierbare Reaktion des Materials herausfordert. „Mal gucken, was passiert“, ist einer dieser steten trockenen Sätze, mit denen Schütte in diesem Film seine Kunst, eigentlich sein ganzes Leben kommentiert.
Und es ist eine Freude, ihm dabei zuzuschauen, wie er mit einem mächtigen Holzhammer auf den noch weichen Ton überlebensgroßer Köpfe haut, um ihrem Konterfei die richtige Zerknirschung zu verpassen. Einer schon fertigen Männerfigur hat er einmal abrupt mit der Kettensäge das Gesicht abgesägt.
In dieser robusten Auseinandersetzung mit dem Material, das sieht man im Film, kommt dann der Mensch Schütte hervor. Das sind sehr nahe, manchmal tiefe Momente, die keines filmtechnischen Kommentars bedürfen, keiner musikalischen Untermalung, keines besonderen Schnitts. Vielleicht hätte Corinna Belz für ihr Schütte-Por-trät etwas von dieser Roughness des Künstlers übernehmen können.
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