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Aus dem Gewölbe in den Knast

Gericht verhängt Haftstrafen für fünf Berliner Angeklagte im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe

Von Erik Peter

Um ein Haar wäre der spektakuläre Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden, für den am Dienstag fünf Mitglieder der arabischen Großfamilie Remmo zu Haftstrafen verurteilt wurden, bereits in Berlin gescheitert. In der Nacht auf den 26. November 2019, nur Stunden vor dem Einbruch, kontrollierte eine Zivilstreife der Polizei einen Golf, in dem sich drei der späteren Angeklagten mit Einbruchswerkzeug wie einem Bolzenschneider befanden. Nach der Kontrolle observierten sie das Fahrzeug, verloren es aber aus den Augen.

In den Morgenstunden am Dresdner Theaterplatz setzten die Täter einen Stromkasten in Brand, wodurch die Laternen ausfielen. Dann stiegen zwei von ihnen in die Schatzkammer ein, durch ein Loch, das sie in den Wochen zuvor in ein eisernes Fenstergitter geschnitten hatten. Mit einer Axt hackten sie eine Vitrine auf und stahlen Schmuckstücke mit Diamanten und Brillanten mit einem Versicherungswert von 114 Millionen Euro. Das Fluchtauto fuhren sie in ein Parkhaus, zündeten es an und begaben sich mit einem als Taxi getarnten Auto zurück nach Berlin.

Den Tätern kamen die Ermittler über DNA-Spuren an der Außenwand des Museums und im Flucht-Taxi auf die Spur. Drei wurden bei einer Großrazzia mit 1.600 Po­li­zis­t:in­nen Ende 2020 in Berlin festgenommen – Vorverurteilung inklusive. Bis August 2021 wurden drei weitere Verdächtige gefasst.

Als sich der Mammutprozess gegen die Männer im Alter von 24 bis 29 Jahren am Dresdner Landgericht mit 47 Verhandlungstagen bereits dem Ende zuneigt, kommt es zur Sensation: In einem Anwaltsbüro wird der Großteil der geraubten Garnituren – teils stark beschädigt – übergeben. In der Folge trifft das Gericht mit den Angeklagten eine Verfahrensabsprache. Gegen umfassende Geständnisse sollen ihre Haftstrafen reduziert werden. Ein 24-Jähriger bekennt sich dazu, der Ideengeber gewesen zu sein. Auch zur Motivation äußern sich die Männer: Sie wollten reich werden.

Der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel kritisiert am Dienstag diesen Deal. Die Geständnisse seien nur in wenigen Worten erfolgt und hätten keine Dritten belastet. Die Vereinbarung würden dem kriminellen Milieu Auftrieb geben. Dem widersprach der Richter in seinem Urteil: Eine solche Verständigung sei ein gesetzlich verankertes Instrument und kein Skandal. „Die Regelung gilt für einen Herrn Remmo genauso wie für einen Herrn Müller oder Meier.“ Fünf Angeklagte verurteilte er wegen besonderer schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls mit Waffen und Sachbeschädigung zu Freiheitsstrafen. Drei müssen rund sechs Jahre in den Knast, für zwei jüngere Zwillingsbrüder gab es je etwa vier Jahre Jugendstrafe. Ein sechster Angeklagter wurde freigesprochen.

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