Junge Kurator*innen über Kunst: „Absolut nicht hoffnungsvoll“
Die Bremer Kunsthalle wird 200 und überlässt es einem Kollektiv junger Menschen, die Ausstellung "Generation*. Jugend trotz(t) Krise" zu kuratieren.
taz: Eure Gruppe von Kuratierenden heißt „New Perceptions“, also etwa „neue Wahrnehmungen“. Was macht eure erste Ausstellung anders?
Marleen Dalinghaus: Der Zugang. Wir haben andere Kunst ausgesucht, als es die Kunsthalle tun würde. Die Auswahl fand zu einem großen Teil über soziale Medien statt.
Max Hauschild: Wir machen eine Ausstellung über uns selbst. Ein Abbild von uns für uns.
Ausstellung„Generation*. Jugend trotz(t) Krise“: bis 10. 9., Kunsthalle Bremen
Talk und Bildbetrachtung mit dem Team New Perceptions: Do, 25. 5., 13 Uhr
Die New-Perceptions-Mitglieder sind 16 bis 25 Jahre alt. Was bereitet euch Sorgen?
Hauschild: Am präsentesten ist für mich die Pandemie: Viel vom Jungsein, Berührungspunkte und Räume, die ich sonst mit Freunden teilen konnte, waren plötzlich nicht mehr da. Natürlich auch die Klimakrise und die Ignoranz anderer Generationen ihr gegenüber.
Dalinghaus: Seit Corona und der Isolation beschäftigt mich der Umgang mit sozialen Medien – ich habe das Gefühl, dass wir in zwei Realitäten leben. Dem Krieg in der Ukraine, den Eindrücken, die man da geschildert bekommen hat, konnte man in keiner entfliehen.
Marleen Dalinghaus, 17 und Schülerin, macht nächstes Jahr Abitur.
Emily Kunusch, 21, selbstständige Künstlerin, bewirbt sich auf ein Kunststudium.
Max Hauschild, 21, bewirbt sich auf ein Kunststudium, sonst freischaffender Künstler.
Emily Kunusch: Das Gleiche bei der Klimakrise – schlechte Nachrichten kriegt man täglich aufs Handy gespielt.
Wozu braucht es da ein Jugendkuratorium?
Dalinghaus: Es ist wichtig, jungen Menschen eine Plattform zu geben. Ich bin noch nicht volljährig und könnte mich an bestimmten Dingen politisch nicht beteiligen. Die Möglichkeit, eine Ausstellung zu kuratieren, wo man Statements setzen kann, ist eine Chance.
Hauschild: Das durchschnittliche Publikum eines Kunstmuseums ist gebildet, gutbetucht – und weit über 60. Es ist gut, das aufzubrechen und möglichst viele andere Menschen abzuholen.
Kunusch: Man muss zeigen, dass Museen nicht langweilig sind, sondern Themen haben, die Jugendliche interessieren.
Welche Rolle spielt dabei die Diversität der berücksichtigten Künstler:innen?
Hauschild: Wenn man schaut, wie viele cis-männliche Künstler im Vergleich zu weiblich gelesenen ausgestellt werden, ist das bezeichnend. Deswegen geht es uns auch darum, Gruppen Raum zu geben, die über Jahrhunderte hinweg nicht gesehen und ignoriert wurden.
Ihr stellt aber durchaus auch Arbeiten aus dem 19. und 20. Jahrhundert aus.
Hauschild: Trotz des Alters mancher Werke haben wir uns in ihnen widergespiegelt gesehen. Egal welche Generation gerade die junge war, es gab immer etwas Verbindendes. Das können auch Krisen sein – sie sind etwas, das junge Menschen prägt und zusammenschweißt, weil sie wiederkehrende Erfahrungen sind.
Dalinghaus: Über die Klimakrise wusste man schon vor Jahrzehnten Bescheid. Auch Themen wie Geschlechtsidentität sind nichts Neues. Da gab es damals schon Werke, die das behandelt haben und die sich, wenn man sie mit heutigen Werken gegenüberstellt, im Dialog super ergänzen.
Statt Hoffnungslosigkeit will New Perceptions Verantwortung propagieren – für eine nachhaltige und gerechtere Welt. Wie optimistisch blickt ihr selbst in die Zukunft?
Hauschild: Ich bin leider absolut nicht hoffnungsvoll. Es ist eine Frechheit, wie mit der Zukunft und dem Planeten umgegangen wird. Um da noch was reißen zu können, müsste es eine grundlegende systematische Veränderung geben. Es gibt keine gute Zukunft im Kapitalismus.
Kunusch: Ich glaube, wir sind doomed. Ich habe oft nicht so viel Hoffnung.
Dalinghaus: Eine Person unserer Gruppe engagiert sich im Klimaaktivismus und sagt, es kann richtig belastend sein, immer darüber nachzudenken. Das ist auch etwas, womit wir als Jugendliche oft zu kämpfen haben.
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