das wird
: „Richard Strauss und Wagner passen oft gut“

35 Jahre hat der Pianist Werner Loll Stummfilme begleitet. Nun macht er es in Kiel zum letzten Mal

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Loll, seit fast 35 Jahren begleiten Sie am Klavier Stummfilme. Warum jetzt zum letzten Mal?

Werner Loll: Ein Musiker geht normalerweise nicht in Rente, aber mir hat ein Herzinfarkt meine Grenzen aufgezeigt. Ich bin ja viel gereist – nicht nur in Norddeutschland, sondern auch nach Bonn, Karlsruhe und einmal sogar Venedig. Und das wird mir jetzt zu anstrengend.

Wie sind Sie Stummfilmpianist geworden?

Ich bin eigentlich Jazzmusiker und im Keller der Kieler Pumpe habe ich an jedem Donnerstag gespielt. Und dann hat mich 1988 eine Mitarbeiterin des dortigen Kommunal­kinos gefragt, ob ich mal einen Stummfilm begleiten will.

Dann fand Ihr erstes Konzert am selben Ort statt wie nun Ihr letztes?

Genau, und das ging auch gleich schief, weil ich nicht daran gedacht hatte, dass es im Kino dunkel ist und ich deshalb meine Noten nicht lesen konnte. Aber weil das Experimentalfilme waren, konnte ich mich da so durchimprovisieren.

Es gibt ja Jazzmusiker, die improvisieren bei ihrer Filmbegleitung alles „durch“. Sind bei Ihnen die Noten denn so wichtig?

Ja, ich spiele hauptsächlich nach Noten. Bei mir wird nicht viel improvisiert, meistens nur die Überleitungen, damit das Timing klappt.

Und wie wählen Sie dann die Musikstücke aus?

Bei den Slapstickkomödien von Chaplin, Keaton oder Harold Lloyd spiele ich amerikanische Folksongs oder Dixieland und bei Krimis wie „Dr. Mabuse“ von Fritz Lang dann auch viel Jazz. Aber meistens spiele ich Stücke aus der Klassik. Chopin mag ich gerne, und auch Grieg, Richard Strauss und Wagner passen oft gut.

Man kann ja fast sagen, dass Wagner die Filmmusik erfunden hat. Noch heute wird von ihm am meisten geklaut.

Foto: privat

Werner Loll

1954 geboren, arbeitete seit Mitte der 1970er-Jahre als Pianist, Vibraphonist, Keyboarder, Komponist und Arrangeur. Seit 1988 begleitet er Stummfilme. Zwischen 1991 und 1994 war er im Hamburger „Metropolis“ der einzige fest angestellte Stummfilmpianist Deutschlands.

Genau, Hans Zimmer spielt entweder Wagner oder Kitsch. Ich habe bei „The Birth of a Nation“ von D. W. Griffith die Originalnoten verwendet und bei der berüchtigten Kampfsequenz, in der der Ku-Klux-Klan verherrlicht wird, habe ich deswegen historisch werktreu Wagners „Ritt der Walküren“ gespielt. Vor den Vorführungen habe ich mich dann immer davon distanziert.

Aber gespielt haben Sie es doch?

Ja, denn für mich ist der Film der Herrscher und meine Interpretation ist historisch angelegt. Wenn ich kann, spiele ich immer die Stücke, die sie damals auch genommen haben.

Spielen Sie im Kino immer solo Piano?

Nein, ich habe auch oft mit anderen gespielt. Beim „Panzerkreuzer Potemkin“ sogar in einem klassischen Septett mit Geige, Cello, Bass und Bläsern. Und ich habe mit dem Multiinstrumentalisten Gerhard Breier einen Duopartner, der Tuba, Klarinette und Schlagzeug spielt. Er wird mich jetzt auch noch einmal bei „Nanook“ in der Pumpe begleiten.

Abschiedskonzert mit Werner Loll: „Nanook of the North“: So, 7. 5., 18 Uhr, Kiel, Die Pumpe, Haßstraße 22