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LESERINNENBRIEFE

Wieso ist das ein Affront?

■ betr.: „Brauchen wir Studiengebühren?“, Pro von Christian Füller, taz vom 11. 5. 12

Der Autor bezeichnet Studiengebühren als eine der „wichtigsten Gerechtigkeitsfragen“. Der Autor bemängelt zu Recht das zutiefst ungerechte deutsche Bildungssystem, an den Unis tummelten sich vor allem Kinder aus sozioökonomisch privilegierten Haushalten. Studiengebühren würden diese ungerechte Lage gerechter gestalten. Der Autor führt nur leider nicht aus, wie Studiengebühren dieses Kunststück bewerkstelligen.

Der „Affront gegen alle Nichtabiturienten“ ist, dass die gesamte Gesellschaft Bildung (leider nicht ausreichend die frühkindliche Variante) finanziert. Wieso ist das ein Affront? Ich empfinde auch Hartz IV nicht als Affront gegen mich, nur weil ich eine Arbeit habe. Hartz IV ist ein Affront gegen die Menschen, die Hartz IV beziehen. Dass nun also Menschen, die mehr haben (was laut Autor vor allem Eltern von Studierenden sind), auch einen höheren Beitrag leisten sollen als Menschen, die weniger haben, ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist nun nicht gerade das Standardargument der Pro-Gebühren-Parteien.

Bildung ist eine der zentralen gesellschaftlichen Aufgaben und somit auch die Verantwortung der gesamten Gesellschaft. Wie durch Studiengebühren mehr „Kinder aus kulturell armen Familien“ an die Unis gebracht werden, zeigt der Autor leider nicht. Das wäre ein Weg weg von der Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems. Das Gerechte an Studiengebühren scheint zu sein, dass sie keine abschreckende Wirkung hätten. Alle Menschen wollen etwas für ihre (Aus-)Bildung tun, aber die „selbstverständliche menschliche Regung“, für seine Ausbildung einen Beitrag zu leisten, wird von den „deutschen Gebührenideologen“ unterdrückt.

Aha. Ich spinne das mal weiter und werfe verschiedene Sachen in einen Topf: Gebühren sind verboten, das ist un(ge)recht! Ich fordere also hiermit Ausbildungsgebühren. Den armen Azubis wird verboten ihren geldlichen Beitrag zu ihrer Ausbildung zu leisten. Diese Ungerechtigkeit muss beendet werden!

Durch diese Überspitzung wird ein weiteres Problem der Diskussion deutlich: die Uni als höchstes anzustrebendes Ziel. Als ob andere Wege nicht zu guten Zielen führen könnten. Das ist wirklich „ein Affront gegen alle Nichtabiturienten“ oder alle Nichtstudierenden.

Am Ende erwähnt der Autor noch eben die pädagogische Dimension von Studiengebühren. Studiengebühren führten zu mehr Ernsthaftigkeit im Studium. Erfahrungen im Ausland – die man für die Contra-Seite nicht gelten lassen will – zeigen, dass anscheinend nur ein bezahltes oder noch zu zahlendes Studium zu weniger Studienabbrechern führt. Warum brechen weniger Menschen ab? Zugegeben, es werden sich Menschen genau überlegen, was sie studieren, bevor sie anfangen. Das ist ein lohnendes Ziel, meiner Meinung nach jedoch eher Aufgabe der jungen Menschen, von Schule und Elternhaus.

Gibt es ein breit gefächertes Studienangebot nicht oder merkt ein Mensch, dass sich seine Vorstellungen und Wünsche geändert haben, so wird man das Studium eher durchstehen und auf bessere Zeiten danach hoffen. Das von der armen Familie investierte Geld wird zu einer Erwartungshaltung der armen Familie oder des Studierenden selber führen. Hier schwingt natürlich auch die Frage mit hinein, wozu ein Studium dient. Ist es für die Bildung oder die Ausbildung da? Dieser Frage kann und muss man sich widmen, Studiengebühren sind jedoch nicht die Antwort.

Ein Studium sollte so gestaltet werden, dass Studierende es nicht abbrechen. Mit Studiengebühren als pädagogische Maßnahme wird es sich zu leicht gemacht. Zudem sollte die ganze Gesellschaft daran arbeiten, dass es mehr Absolventen gibt und nicht nur weniger Abbrecher. TOBIAS KRAUSE, Duisburg

Staatlich subventionierte Karrieren

■ betr.: „Brauchen wir Studiengebühren?“, Pro von Christian Füller, taz vom 11. 5. 12

Herrn Füller ist voll und ganz zuzustimmen. Abkömmlinge bildungsferner Schichten, die es systemwidrig geschafft haben, ein Abitur zu ergattern, werden durch die Studiengebühren schon nach wenigen Semestern daran erinnert, woher sie kommen, und Berufen ihres Standes zugeführt. Beispiele für solche staatlich zu lange subventionierten Karrieren finden sich an jeder Uni. Herr Füller wird Ähnliches erlebt haben und aus Erfahrung sprechen.

Diejenigen „Unterschichtler“, die Herr Füller zitiert, die dennoch „in Bildung zu investieren“ versuchen, also die Gebühren aufbringen, sind volkswirtschaftlich nützlich und sollten nicht demotiviert werden. Immerhin verdingen sie sich während des Studiums als Arbeitnehmer und helfen mit, die Lohnkosten der Volkswirtschaft in einem erträglichen Rahmen zu halten.

Zudem mehren sie als Darlehensnehmer das Bruttosozialprodukt, wenn sie mit dem Studium fertig sind und in die hoch bezahlten Vorstandsetagen aufsteigen.

HEINER ZOK, Schiffdorf

Befürworter erstatten nichts

■ betr.: „Brauchen wir Studiengebühren?“, Pro von Christian Füller, taz vom 11. 5. 12

Interessant ist, dass die Befürworter von Studiengebühren in Politik und Journalismus ihre Studien ganz selbstverständlich auf Kosten der Steuerzahler absolviert haben. Mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass einer von denen im Nachgang die Auslagen für sein Studium an die Hochschule überwiesen hätte.

MANFRED (60), taz.de

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