Working-Class-Sitkom „Die Conners“: Humor arbeitet
Der Neuauflage der Serie „Die Conners“ bietet mehr als reine Hollywood-Nostalgie. Der Blick ins Working-Class-Milieu ist warmherzig und realistisch.
Aus Alt mach Neu, nach diesem Motto verfährt Hollywood seit einiger Zeit immer wieder. Gerade im Serienbereich hat eine Mischung aus Ideenlosigkeit und mangelnder Risikobereitschaft gepaart mit einer dem Publikum attestierten immensen Nostalgie nach allem, was aus den Achtziger und Neunziger Jahren stammt, dazu geführt, dass in schöner Regelmäßigkeit Geschichten von damals fortgesetzt, wiederbelebt oder sonst irgendwie neu aufgelegt werden.
Nach dem Motto: Was damals gut funktioniert hat, kann heute so verkehrt nicht sein. Zumindest schalten die Menschen vielleicht eher bei einem Programm ein, dessen Titel sie an ihre Jugend erinnert als bei etwas komplett Neuem.
In vielen Fällen haben die Neuauflagen mit dem Original außer dem Titel und einer leicht modernisierten Variante der grundlegenden Prämisse kaum etwas gemein. Mitunter handelt es sich um Serien, die selbst in Tonfall und Genre kaum mehr an früher erinnern, siehe das kurzlebige „Queer as Folk“-Remake.
Doch nicht selten versuchen die Macher*innen, so viele Bestandteile des einstigen Erfolgs wie möglich in die Neufassung zu retten und im Idealfall direkt dort anzuknüpfen, wo einst aufgehört wurde. So der Fall nicht nur bei „Will & Grace“ oder „Murphy Brown“, sondern auch bei „Dexter: New Blood“. Und natürlich bei „Die Conners“.
Einer der ungewöhnlichsten Reboot-Fälle
Bei „Sky“, dritte Staffel ab 4. Mai
Dass die Serie, deren beide erste Staffeln nun (wieder) bei Sky zu sehen sind, bevor es im Mai mit den hierzulande noch nie gezeigten Folgen der Staffeln 3 und 4 weitergeht (in den USA geht dieser Tage bereits die fünfte zu Ende), einen Titel trägt, den man von früher gar nicht kennt, ist dabei nur eine Besonderheit in einem der ungewöhnlichsten Reboot-Fälle der letzten Jahre.
Als die Familie Conner 2018 auf die Bildschirme zurückkehrte, tat sie das noch unter dem Namen ihrer Matriarchin. „Roseanne“, eine Schöpfung der Komikerin Roseanne Barr, war von 1988 bis 1997 neun Staffeln lang eine der erfolgreichsten Sitcoms der Welt, deren Alleinstellungsmerkmal es war, mit bissigem Witz, aber auch viel Authentizität aus dem Alltag einer Arbeiterklasse-Familie in einer Kleinstadt im Mittleren Westen zu erzählen.
Für das Revival mehr als 20 Jahre später ignorierte man bewusst einige weniger gelungene Plot-Details der späteren Staffeln, machte ansonsten aber genauso weiter wie früher. Die Kulisse des schlichten Einfamilienhauses war die gleiche, das gesamte Ensemble kehrte zurück und das Publikum ebenfalls.
Aus dem Stand wurde die „Roseanne“-Neuauflage zum größten Comedy-Hit des Jahres, doch als wenige Wochen später Barr – nicht zum ersten Mal – durch rassistische Ausfälle auf Twitter für einen Skandal sorgte, zogen die Verantwortlichen die Reißleine. Der namensgebende Star wurde gefeuert (und wagte kürzlich erst ein Comeback mit einem Stand- up-Special beim konservativen Streamingdienst Fox Nation). Doch statt damit auch den Rest ihrer Serien-Familie zurück in den Ruhestand zu schicken, ließ man sich auf den Versuch ein, einfach ohne die Mutter im Zentrum weiterzumachen.
Helfen und trinken
Tatsächlich funktioniert „Roseanne“ ohne Roseanne erstaunlich gut. Zu Beginn von „Die Conners“ ist das Familienoberhaupt ein paar Wochen zuvor verstorben. Ehemann Dan (John Goodman) muss damit klarkommen, dass sein Fels in der Brandung fehlt, seine Schwägerin Jackie (Laurie Metcalf) versucht zu helfen, wo sie kann, derweil Becky (Lecy Goranson) zu viel trinkt, Darlene (Sara Gilbert) als meist alleinerziehende Mutter eines pubertierenden Mädchens sowie eines queeren 12-Jährigen versucht, in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten, und D. J. (Michael Fishman) als Figur mitsamt Frau und Kind nach wie vor eher nebenbei mitläuft.
Wo von „And Just Like That“ oder „The L-Word: Generation Q“ bis zu „Fuller House“ und „Die wilden Neunziger“ das Wiedersehen mit einst geliebten Serien-Held*innen fast immer zur (mal mehr, mal weniger großen) Enttäuschung wurde, weil man sich entweder zu stark an veraltete Muster klammerte oder im Gegenteil zu krampfhaft dem Zeitgeist nachjagte, gelingt „Die Conners“ trotz der kniffeligen Produktionsgeschichte eine erstaunliche Gratwanderung.
Der Nostalgiefaktor wird nicht überreizt, das Erfolgsrezept von damals aber auch nur behutsam modernisiert: Das Ensemble funktioniert noch immer als glaubwürdige, nach und nach behutsam um neue Mitglieder ergänzte Familie, selbst ohne Roseannes beißende Sprüche sitzen die Gags, und die Ernsthaftigkeit, mit der hier im Sitcom-Format ernste Themen wie Trauer, Medikamentenabhängigkeit oder Homophobie verhandelt werden, überrascht einmal mehr.
Auch weil ein derart warmherziger und vor allem realistisch wirkender Blick auf das „Working Class“-Milieu auch 30 Jahre nach dem Erfolg von „Roseanne“ im Mainstream-Fernsehen nach wie vor eher selten zu finden ist.
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