berliner szenen: Radfahren am Tauentzien
Es dämmerte schon, als ich es wagte, den Ku’damm und die Tauentzienstraße mit dem Fahrrad zu passieren. Ich stieg also auf mein Rad, rollte langsam auf die breite Busspur, die im Grunde genommen eine weitere Fahrspur für Autos ist, da sie auch von Taxis und von Autofahrern, denen es auf der anderen Spur nicht schnell genug geht, benutzt wird. Ach ja, und dann ist die Busspur auch der Fahrradweg, weil es die Stadt immer noch nicht geschafft hat, auf der sehr breiten Straße einen sicheren Fahrradstreifen anzulegen.
Es dämmerte also schon, als auf dem Tauentzien die Ampel auf Rot schaltete. Ich entschleunigte, kam vor einem anderen Radfahrer zum Stehen, der gerade in Richtung eines Autos mit offenem Fenster rief: „Wie hast du mich eben genannt?!“ Der Beifahrer zögerte nicht lange, schrie: „Du Hu***sohn, f*** dich, ich steig gleich aus und mach dich fertig!“ Mein Blick wanderte zum Radfahrer, der nichts mehr sagte, nur fassungslos schaute. Er trug eine dunkelgrüne Leichtdaunenjacke, eine Brille, keinen Helm. An seinem Gepäckträger klemmte eine Ledertasche. Nein, er sah definitiv nicht aus wie jemand, der mit Beleidigungen um sich warf. Und er sah auch nicht aus wie jemand, der sich auf eine Schlägerei einlassen würde. Als die Ampel auf Grün sprang, raste das Auto davon, der Radfahrer wurde nach der Kreuzung langsamer, zückte sein Handy. Es wirkte so, als würde er überlegen, die Polizei zu verständigen, steckte sein Handy dann doch wieder ein, fuhr weiter.
Ich fuhr immer noch hinter ihm, als plötzlich ein anderes Auto das Lenkrad nach rechts auf die Busspur riss, ihm den Weg abschnitt. Gerade so konnte der Radfahrer noch bremsen, rief: „Sag mal, geht’s noch!?“ Der Beifahrer aus dem Auto rief zurück: „Ey, pass doch auf oder willst du draufgehen?!“ Jetzt schaute auch ich fassungslos.
Eva Müller-Foell
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