Blockaden, Streiks und Müllhaufen

In Frankreich demonstrieren Tausende gegen die Rentenreform – kurz vor einem Besuch von King Charles

Aus Paris Rudolf Balmer

In Frankreich haben erneut Tausende Menschen gegen die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron protestiert. Demonstrierende blockierten überall im Land Straßen und Zugänge zu Universitäten und Schulen. Nahe der Stadt Toulouse stiegen von brennenden Schutthaufen auf der Autobahn Rauchschwaden auf. Am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle machten sie die Zufahrt zu einem Terminal unpassierbar. Streikende blockierten zudem die Gleise des Pariser Bahnhofs Gare de Lyon, Demonstranten hielten Protestbanner mit „Nein zur Rentenreform“ hoch.

Mit diesen und ähnlichen Aktionen wollten die Geg­ne­r*in­nen der Rentenreform am neunten Aktionstag zeigen, dass ihre Entschlossenheit zum Widerstand nicht nur ungebrochen ist, sondern auch, dass sie mit härteren Aktionsformen weitergehen können, um die Staatsführung zum Nachgeben zu bewegen.

Am Mittwoch hatte Macron nach langem Schweigen Stellung bezogen und im Fernsehen gesagt, er halte an der Reform fest. Er wolle weder die Premierministerin ersetzen noch die Regierung umbilden oder gar eine Volksabstimmung über die geplante Anhebung des Rentenalters anordnen.

Damit habe Macron Öl ins Feuer geschüttet, sagten verschiedene Gewerkschaftsvorsitzende. Sie sehen in Macrons etwas gespielter Pose der kompromisslosen Unnachgiebigkeit eine Provokation, auf die sie mit einer verstärkten Mobilisierung antworten wollten. Das scheint ihnen teilweise auch gelungen zu sein. Bei den Kundgebungen sagten viele, sie seien zum ersten Mal dabei – und dies vor allem „gegen Macron“. Bei einer erneuten Demonstration in Lyon beispielsweise, wo bislang rund 12.000 Leute beteiligt waren, marschierten dieses Mal laut Medienschätzungen doppelt so viele mit.

Besonders stark wird der Druck auf die Staatsführung wegen der von Streikenden blockierten oder besetzten Erdölraffinerien und Treibstoffdepots. In mehreren Landesteilen wird bereits Benzin und Diesel knapp. Die Flughäfen erhalten kein Kerosin mehr. In Paris akkumulieren sich wegen des andauernden Streiks der Müllabfuhr die Abfälle. Das hat Rückwirkungen auf den Tourismus, denn wenige Besucher haben Lust, neben stinken Haufen von Unrat auf einer Café-Terrasse zu sitzen. Zudem waren wegen Streiks Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm, der Triumphbogen oder das Schloss von Versailles geschlossen.

Auch das Besuchsprogramm des britischen Königs Charles III. droht wegen der Krise Abstriche zu erleiden. Der Monarch wird zu seinem ersten Besuch im Ausland am Sonntagabend in Frankreich erwartet. Am Montag war ein Rundgang auf dem Blumenmarkt in Paris und ein Gala-Dinner im Schloss Versailles vorgesehen, am Dienstag eine Reise nach Bordeaux, wo Charles die Straßenbahn besteigen und später einen Weinberg besichtigen wollte. Wegen der derzeit „chaotischen“ Zustände in Frankreich haben seine Sicherheitsbeauftragten nun aber Bedenken.

Für Macron wäre es höchst peinlich, wenn die Reise abgesagt oder auf ein Minimum beschränkt würde. Um seine Schande womöglich noch zu krönen, haben die Beschäftigten der nationalen Möbel- und Teppichwerkstätten gewarnt, dass wegen ihres Streiks der für die Begrüßungszeremonie unentbehrliche rote Teppich nicht ausgerollt werden könnte. (mit Agenturen)