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Sportswashing im GolfsportComeback der Kassierer

Wer für saudische Öl-Millionen auf der LIV-Tour Golf spielt, muss bei regulären Turnieren draußen bleiben. Warum das beim Masters anders ist.

Im Imageloch: LIV-Golfer Sergio García in Tucson, Arizona

E s war einmal ein Land voll riesiger öder Wüsten. Eines Tages kam jemand auf die Idee, im Boden herumzubohren, und siehe da: Ein braunes Etwas sprudelte hervor; Öl, massenhaft und pausenlos. Nun gab es andere Länder, die den stinkenden Fund verbrennen wollten, um das Klima zu zerstören. Die Ölfinder zuckten die Schultern, verkauften das Zeug fortan und wurden reicher und reicher.

Auf Dauer aber langweilten sich die reichen Menschen im Wüstenland Saudi-Arabien: Was tun mit all dem Ölgeld? Och, dachten sie, verbrennen wir sehr sportiv ein wenig der braunen Suppe auch daheim (Formel 1), kaufen uns Fußballvereine (Newcastle United), planen Olympia und schnappen unseren weltweiten Kunden die reichsten Sportler weg. Zum Beispiel Golfspieler, die wir zu uns an den Golf holen. Und so geschah es.

Die Öligen gründeten eine eigene Golfliga, eine Art Disneyworld für gestandene Hau­draufs, und nannten sie LIV. Das steht für 54, Golfers noch nie erreichtes Traumrundenergebnis. Die neue Turnierserie LIV gibt es jetzt seit einem Jahr.

Ein saudischer Staatsfonds zahlt Geldsummen jenseits aller bekannten Grenzen der Restwohlanständigkeit: hohe zweistellige Millionenbeträge allein als Antrittsgage. Viele der großen Stars sind umgehend dem Ruf des Öls gefolgt, etwa die US-Amerikaner Dustin Johnson, Phil Mickelson oder Bryson DeChambeau, dazu Europäer wie Lee Westwood, Sergio García oder der einstige Könner Martin Kaymer.

Geächtete Abzocker

Nun gibt es in der alten Golfwelt niemanden, der ein freundliches Wort über die LIV-Gründer und die Exkollegen sagen würde: gewissenlose Geldzuscheißer, Verräter, Gierschlund, charakterloses Sonstwas. In diese Richtung tönt der Chor der Aufrechten, vorneweg der widerständische Nord­ire Rory McIlroy oder Tiger Woods, den es beinmalad immer noch gibt.

Aber bitte: Money keeps the golf ball round. Sonst muss man vier Runden Golf spielen, um am Ende auf Platz 42 mit kargen 5.000 Dollar Schmerzensgeld abrücken zu müssen. Bei der LIV Tour gibt’s Millionen, bevor man sich das erste mal bückt. Wer so ein LIV-Turnier über nur drei Tage gewinnt – niemanden interessiert es. Dagegen war das Tingeltangel „Holiday on Ice“ für abgehalfterte EiskunstläuferInnen ein sportliches Topevent.

Für die LIV-Golfer gibt es keine Weltranglistenpunkte mehr, keine Teilnahme am Ryder Cup. Und wenn bei den anderen etwas nicht läuft, hören alle schadenfroh hin: Erst fand LIV keinen Fernsehsender, der das Schaugegolfe übertragen würde. Dieses Jahr ist ein US-Network live dabei, aber im März guckten nur 290.000 Menschen zu, bei den tradi­tio­nel­len Honda Classics waren es gleichzeitig 2,38 Millionen.

Und die Saudis scheinen plötzlich sogar geizig. Denn sie haben ihren Cracks die Reisekosten gestrichen. Oje, ob es noch reicht für den Privatjet? Oder müssen Golfprofis fürderhin auf Handelsschiffen anheuern, um die Passagen zwischen den Kontinenten zu meistern? Die Gründe – unklar. Wahrscheinlich sind die saudische Buchhalter genervt von den kleingeistigen Spesenabrechnungen über lächerliche fünf- oder sechsstellige Summen.

Anfang April aber findet das Masters statt, eines der vier Major-Turniere. Hier gelten andere Regeln: Masters ist Einladungsturnier und seit seiner Erfindung 1934 so durchtrieben und selbstherrlich, dass die Bosse wie selbstverständlich auch viele Saudi-Golfer nach Augusta, Georgia, gebeten haben. Ob die Rebellen und Traditionalisten beim Kampf um das grüne Jacket aufeinander losgehen mit ihren wuchtigen Drivern? Kommt es zu Massenprügeleien auf den Grüns, Neider gegen Neidauslöser, Gut gegen Böse?

Wahrscheinlich werden sie sich nur ein paar Spottworte zuraunen. Oder die Öffentlichkeit mit doppeldeutigen Sottisen beglücken. So wie der Spanier Jon Rahm jetzt schon über die jüngsten Preisgeldsteigerungen auf der PGA Tour: „Wir müssen LIV dankbar sein.“

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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