Schweizer Bankenkrise: Das neue Monster am Finanzmarkt
Die Credit Suisse wird von der Großbank UBS übernommen. Expert:innen warnen, Banken seien mit zu wenig Eigenkapital abgesichert.
So sieht das auch Finanzexperte Schick. Die Fusion der zwei größten Schweizer Banken „verschärft das Too-big-to-fail-Problem“, so Schick. Die Schweizer Politik und Aufsichtsbehörden hätten zu lange gezögert. „Sie haben zugesehen, wie die Credit Suisse von Skandal zu Skandal schlitterte und immer mehr Kunden verlor“, betonte Schick.
Die Credit Suisse war nach dem Zusammenbruch des US-Geldinstituts Silicon Valley Bank (SVB) in der vergangenen Woche in einen Abwärtsstrudel geraten. Am Sonntagabend wurde bekannt, dass die zweitgrößte Schweizer Bank durch die größere UBS für einen Kaufpreis von 3 Milliarden Franken übernommen werden soll – es ist die größte Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Staat und Aufsichtsbehörden wollten mit der Rettungsaktion einen Flächenbrand im Finanzsektor verhindern.
Die Pleiten mehrerer US-Banken hatten zuvor Anleger:innen weltweit verunsichert. Als sich ein saudischer Großinvestor am Mittwoch weigerte, die Credit Suisse mit weiterem Geld zu unterstützen, stürzte der Aktienkurs der 1856 gegründeten Traditionsbank auf ein Rekordtief. Am Donnerstag stellte die Schweizer Nationalbank (SNB) der Credit Suisse dann 50 Milliarden Franken zur Verfügung. Offenbar zu wenig, denn das Misstrauen in die Bank stieg, der Kurs sank weiter.
Mit der Fusion entsteht eine Megabank mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 3,4 Billionen US-Dollar. Mehr verwaltet nur noch die US-amerikanische Bank Morgan Stanley. Die neue UBS kommt zudem auf eine Bilanzsumme von 1,7 Billionen Dollar – fast doppelt so viel wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Zu möglichen Stellenstreichungen wollte die UBS zunächst nichts sagen. Zusammen beschäftigen beide Institute etwa 120.000 Mitarbeitende.
Der Schweizer Staat garantiert bei der Übernahme einen Verlust von gut 9 Milliarden Franken. Da das Geld nur im Notfall gezahlt werden soll, sprach die Regierung nicht von einer staatlichen Rettung, das Risiko für die Steuerzahler sei gering. Weiterhin unterstützt wird die Übernahme durch Liquiditätsangebote der Schweizerischen Nationalbank von bis zu 200 Milliarden Franken.
Die Regierung in Bern hatte unter enormem Druck gestanden. Denn die Credit Suisse gehört wie die UBS zu den 30 global systemrelevanten Banken. Die Angst vor einem Dominoeffekt wie nach der Pleite von Lehman Brothers 2008 groß. Regierungen, Aufseher und Zentralbanken bemühten sich am Montag, die Gemüter zu beruhigen. Das europäische Bankensystem sei „widerstandsfähig“, Kapitalausstattung und Liquidität der Institute „robust“, teilte die Europäische Zentralbank mit. Auch US-Notenbankchef Jerome Powell begrüßte die Ankündigungen der Schweizer Behörden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lobte deren „entschlossenes Handeln“ und betonte, es bestehe keine Gefahr für das deutsche Bankensystem. Die Situation sei nicht vergleichbar mit der Bankenkrise der Jahre 2008 und 2009.
Ein anderes Bild zeichnete sich am Montagmorgen an den Börsen ab. Der Kurs der UBS verlor zunächst fast 9 Prozent, der Credit Suisse sogar 64 Prozent, auch die Kurse anderer europäischer und US-Banken sackten ab. Der zunächst schwach gestartete Dax arbeitete sich bis zum Mittag in die Gewinnzone vor. Zuvor war er noch auf den tiefsten Stand seit Januar gefallen. Für Empörung sorgte die Meldung, dass die Credit Suisse in einer E-Mail an ihre Mitarbeiter:innen versprach, Boni und Gehaltserhöhungen auszuzahlen. Die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter fordert ein Verbot von Bonuszahlungen.
Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, sagte, die Übernahme sende ein gutes Signal. Bei der Credit Suisse hätten schlechtes Management und ein Abzug von Geldern zur Krise geführt. „Wir müssen aufhören, uns einzureden, dass die Vorgänge in den USA und der Schweiz hierzulande undenkbar wären“, sagte hingegen Schick.
Um eine Finanzkrise zu verhindern, forderte er mehr EU-Kontrollen und eine Trennung von Geschäftsbanken und Investment-Banking. Die Linke forderte striktere Vorgaben für Banken. Nötig sei eine Eigenkapitalquote von 20 bis 30 Prozent, sagte Parteichef Martin Schirdewan. Die Gesamtkapitalanforderung liege bei 15 Prozent in Europa, niedriger als in den USA. „Der europäische Finanzmarkt ist im Moment extrem vulnerabel, es herrscht massive Ansteckungsgefahr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was