In Berlin dämmert es schwarz-rot

Nach der SPD erwägt offenbar auch die CDU, ein schwarz-rotes Bündnis in Berlin zu bilden. Die Grünen wären dann in der Opposition und warnen vor einer „Rückschrittskoalition“

Ein Bündnis mit der CDU ist ihr wohl wichtiger als das Amt der Regierenden Bürgermeisterin: Franziska Giffey nach Sondierungsgesprächen Ende Februar Foto: Fo­to:­ Jörg Carstensen/dpa

Von Stefan Alberti

Zweieinhalb Wochen nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus läuft alles auf ein schwarz-rotes Bündnis in der Hauptstadt zu. Nach übereinstimmenden Medienberichten einigte sich das CDU-Sondierungsteam um Kai Wegner am Mittwochnachmittag darauf, eine Regierung mit der SPD anzustreben und dafür kommende Woche in Koalitionsverhandlungen zu treten. Ein offizieller Beschluss soll am Donnerstag erfolgen.

Auch die Noch-Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) wollte dem Vernehmen nach dem SPD-Landesvorstand am frühen Mittwochabend vorschlagen, als Juniorpartner in eine schwarz-rote Koalition zu gehen. Bislang führt Giffey ein rot-grün-rotes Bündnis an, das ebenfalls eine Mehrheit hätte.

SPD, Grüne und Linke hatten bei der Wahl am 12. Februar Einbußen gegenüber der wegen Pannen wiederholten Wahl vom 26. September 2021 hinnehmen müssen – allen voran die SPD. Sie sackte mit 18,4 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg ab und bekam nur 53 Stimmen mehr als die Grünen. Die CDU hingegen, die letztmals 2001 den Berliner Regierungschef stellte und seither nur von 2011 bis 2016 mitregierte, legte über zehn Prozentpunkte auf 28,2 Prozent zu. Rechnerisch mögliche Koalitionen waren damit Schwarz-Rot und Schwarz-Grün, aber auch erneut Rot-Grün-Rot.

Bis Dienstag hatten die vier Parteien in je drei Sondierungsrunden getagt. Am Ende hatte alle Teams positive Resümees verkündet, womit alle Koalitionen möglich erschienen. Auch CDU und Grüne hatten noch am Dienstagabend, erst kurz vor 23 Uhr, Lösungen bei sehr strittigen Themen vor Journalisten kundgetan. Dazu gehören in Berlin eine Verlängerung der Stadtautobahn A100 und die Enteignung großer Wohnungseigentümer gemäß einem Volksentscheid von 2021, der aber keine Gesetzeskraft hat.

Der Landesvorstand der Linkspartei hat sich wiederum darauf festgelegt, einem Landesparteitag am Freitag eine fortgesetzte rot-grün-rote Koalition vorzuschlagen. Bei der CDU wollte sich der Landesvorstand nach einer Sitzung am Donnerstagabend äußern.

Die Grünen-Verhandlungsgruppe wollten noch in dieser Woche eine Koalitionsempfehlung abgeben. Für nächsten Dienstag war dazu ein kleiner Parteitag angesetzt. Die sich abzeichnende schwarz-rote Koalition kritisierte Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Sie würde „Stillstand für Berlin“ bedeuten. Bei der Verkehrswende und dem Klimaschutz drohten gar ein Rückschritt. Auch Spitzenkandidatin Bettina Jarasch warnte vor einer „Rückschrittskoalition“.

Bei der SPD gingen Kenner der Partei davon aus, dass sich der Landesvorstand dem Vorschlag Giffeys anschließen würde, trotz heftiger Proteste des Parteinachwuchses. Die Jusos lehnen eine Koalition mit der CDU klar ab. „Wir sind enttäuscht von dem sich abzeichnenden Sondierungsergebnis“, äußerte sich Juso-Landeschefin Sinem Taşan-Funke. „Wir werden uns jeder Bestrebung, eine Koalition mit der CDU zu bilden, entgegenstellen.“ Die CDU passe aus ihrer Sicht „nicht zu Berlin und nicht zur SPD“.

Kritisch äußerte sich auch die bis 2021 in der SPD-geführten Senatskanzlei amtierende Ex-Staatssekretärin Sawsan Chebli. „Frage mich, wie es in der Migrationsfrage einen gemeinsamen Nenner zwischen SPD & CDU geben kann“, schrieb sie auf Twitter. Sie sei zwar keine Gegnerin Großer Koalitionen oder der CDU. Aber die Berliner CDU ähnele eben nur wenig der CDU unter Angela Merkel oder Daniel Günther, dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins.

„Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD“

Sinem Taşan-Funke, Juso-Landeschefin

Ein Votum des Landesvorstands dürfte aber für Koalitionsverhandlungen nicht ausreichen. Diskutiert wurde, darüber statt eines Parteitags die rund 20.000 Berliner Mitglieder entscheiden zu lassen: Dass sie einer Empfehlung der Parteispitze folgen, gilt als wahrscheinlicher.

Die Bundes-SPD äußerte sich zurückhaltend: „Ich gebe der Berliner SPD keine Ratschläge, mit wem sie Verhandlungen aufnimmt“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Katja Mast, der taz. „Das müssen die Genossinnen und Genossen vor Ort entscheiden.“

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