berliner szenen: Die drei qualmen immer
Deine Mutter hat meine Mutter gekannt, oder?“, fragt er. Sie wendet sich an ihre Kollegin, die an die Tür gelehnt eine raucht und fragt sie etwas auf Türkisch. „Ja, ja, ich glaube“, antwortet sie dann.
Die Spätiverkäuferin und der Rocker sitzen vor ihrem Späti am Herrfurthplatz, so wie jeden Morgen, wenn ich an ihnen vorbei zurück nach Hause laufe. Ich weiß nicht, ob er wirklich ein Rocker ist. Ich nenne ihn so, weil er mir mit seinen weißen langen Haaren und seiner Lederweste so vorkommt. Doch mit seinem Bäuchlein und seinem lieben Blick sieht er eigentlich eher nach einem Weihnachtsmann im Hells-Angels-Kostüm aus als nach einem bösen Rocker.
Ich stelle mir vor, dass er Stammkunde im Alptraum II ist und bei seiner Späti-Freundin die Zeit überbrückt, bis die Eckkneipe in der Schillerpromenade aufmacht. Es überrascht mich, dass ich die beiden diesmal beim Reden erwische. Normalerweise sitzen sie schweigsam da. Er trinkt Bier, sie Kaffee aus einem Plastikbecher und guckt etwas in ihrem Handy, die Brille an die Nasenspitze. Manchmal ist eine Kollegin dabei, dann unterhalten sich die Frauen animiert. Er scheint nichts zu verstehen, doch sich trotzdem bei ihnen wohl zu fühlen. Alle drei rauchen immer, wenn ich sie sehe und selbst wenn ich jogge, mag ich den Geruch nach Tabak sehr.
An einem Sonntag brauche ich Milch und frage dort, ob sie Milch verkaufen. Die Frauen tauschen Blicke und kichern. Zuerst überlege ich, was an meiner Frage so komisch sein soll, doch dann merke ich, dass ich rot im Gesicht und total verschwitzt bin. Wahrscheinlich lachen sie darüber, sage ich mir. Sie verkaufen mir die Packung Milch, die sie für ihren Kaffee benutzen, gehen sofort wieder raus und zünden sich eine Zigarette an. Der Rocker ist nicht da, ich vermisse ihn.
Luciana Ferrando
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