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: Allianz der Verzagten

Fifa-Präsident Gianni Infantino geht ungefährdet in Amtszeit drei, weil seine Kritiker keinen Mumm haben

Die Wahl des Präsidenten ist Tagesordnungspunkt acht. In der ruandischen Hauptstadt Kigali wird Gianni Infantino in seine dritte Amtszeit gehen. Der Schweizer wird am kommenden Donnerstag wohl per Akklamation ernannt. Er hat keinen Gegenkandidaten. Niemand ist bereit, sich gegen den 52-Jährigen zu stellen, auch niemand aus Europa. Dort ist die Opposition beheimatet. Aber die Kritiker gehen nicht in die Offensive. Sie begnügen sich hier und da mit zahnloser Gegenrede, die so viel Schmackes hat wie ein luftleerer Fußball. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist in den vergangenen Wochen nicht müde geworden, die Fifa als Hort des Bösen zu beschreiben. „Wir befinden uns in Opposition zur Fifa“, sagte Neuendorf etwa in Katar. Aber daraus folgt keine Aktion. Nichts Substanzielles (außer Textilromantik).

Geradezu fatalistisch schilderte Neuendorf im Sportausschuss des deutschen Bundestages die Machtverhältnisse im internationalen Fußball. Wenn über 200 Nationalverbände ihre Absicht, Infantino zu wählen, bereits hinterlegt hätten, welchen Sinn würde es dann machen, einen Gegenkandidaten aufzustellen. Er schien zu bedauern, dass alle Fifa-Mitglieder gleichberechtigt sind, egal wie groß „Mali oder Guam“ seien – „oder wie sie alle heißen“. Die Kritiker, klagte der SPD-Politiker, seien in der Fifa nun einmal krass in der Minderheit: „Die Fifa ändert man nicht mit einer Hauruck-Aktion.“ Diese Fügsamkeit zum Wohl des Fifa-Regenten stieß besonders dem Grünen-Politiker Philip Krämer auf, der die Verzagtheit geißelte: Hätten sich die Grünen in ihren ersten Jahren auch der Übermacht der anderen Parteien brav gebeugt, wäre der Marsch durch die Institutionen und auf die Polstersessel der Macht nicht so eindrucksvoll gelungen. Er empfahl die Aufstellung eines Gegenkandidaten. Krämer mag auch enttäuscht davon sein, dass Neuendorf von seinem moralisch hohen Ross (Dromedar?) abgestiegen und jetzt nicht mehr aktivistisch, sondern realpolitisch unterwegs ist.

Dass der Fifa-Präsident ohne Widersacher im Amt bestätigt wird, hat in der Fifa leider lange Tradition. Der Brasilianer João Havelange wurde gleich fünf Mal ohne Gegenkandidaten gewählt. Bei den Wahlen in den Jahren 1982, 1986, 1990 und 1994 wurde nach Verlesung der Liste seiner Erfolge sogar auf eine geheime Wahl verzichtet. Es gab in der jüngeren Geschichte des Weltverbandes zwar ein paar Unverzagte, die gegen das Bollwerk der Macht anrannten, aber entweder verschwand auf gar nicht so mysteriöse Weise das Wahlinteresse (Lennart Johansson) oder der Mitbewerber wurde – durchaus zu Recht – in seinem Ansehen diskreditiert und weggemobbt (Mohammed bin Hammam). Dazwischen traten auch noch Alibi-Kandidaten wie Michael van Praag auf, die von Anfang an keine Chance hatten.

Wird der Weltverband nicht akut von Krise, Tod oder Korruption geschüttelt, bauen die Präsidenten ihre Machtbasis von Tag zu Tag aus. Auch das hat Tradition. Jules Rimet amtierte fast 34 Jahre, Havelange 24 Jahre. Sepp Blatter blieb 17 Jahre im Amt. Und Gianni Infantino arbeitet nun schon seit über sieben Jahren an der Umsetzung seiner Vision von der allumfassenden Fußballisierung der Welt. In Kigali hat er folglich ein Büro zur Förderung des Fußballs in Ostafrika eröffnet. Die Geschäfte in Zürich laufen ohnehin gut. Leute wie Bernd Neuendorf verstummen offensichtlich beim Blick in die Bilanzen. Das war schon immer das Mittel der Wahl, um Unantastbarkeit des Oberhauptes zu garantieren. Markus Völker