piwik no script img

Tschechiens neuer StaatspräsidentEin Hauch von Väterchen

Für viele Tschechen verkörpert Petr Pavel, was seinem Vorgänger Zeman fehlte: Repräsentation und Volksnähe. Mit viel Pomp wird er in Prag vereidigt.

Feierlichkeiten zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Petr Pavel Foto: Petr David Josek/ap

Prag taz | Punkt Mitternacht hatte die letzte Stunde der Politdinosaurier geschlagen: Mit Miloš Zeman, dessen Amtszeit als Präsident am Mittwoch nach zehn Jahren endete, verabschiedete sich das letzte postkommunistische Urgestein Tschechiens von der Bühne. Schon am Vorabend hatten sich in Prag all die, die der Stunde Null besonders eifrig entgegen fieberten, vor der Prager Burg zu einem feierlichem Umzug versammelt, in dem sie eine Büste Zemans hinunter an die Moldau tragen würden, um sie dann im Stil böhmisch-bäuerlicher Winteraustreibungen, brennend in ihre Fluten zu stürzen.

Seinen Platz auf der Burg hatte Zeman sich 2013 und 2018 zwar in freier und direkter Wahl errungen. Mit seiner arroganten, oft vulgären und konfliktträchtigen Art, seinem miserablen Händchen für Mitarbeiter und seinem – wenn auch aus Gesundheits- und Altersgründen – unrepräsentativen Auftreten, war Zeman weit entfernt von dem Ideal, das der tschechische Präsident darstellen soll: Vertreter der Republik nach außen und Stimme des Volkes innerhalb der tschechischen Exekutive, aber auch verantwortlich für die Ernennung von Richtern und Professoren, wie auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Zemans Nachfolger Petr Pavel ist wie maßgeschneidert für diese Rolle: Ein General a. D, der es immerhin als erster Vertreter eines ehemaligen Warschauer-Pakt-Staats bis in die Führungsetage der Nato geschafft hat, deren Militärausschuss er von 2015 bis 2018 leitete, der gern nach Polen zum Einkaufen fährt und dessen weißer Bart ihm zumindest den Hauch von Väterchen gibt, der dem Präsidenten in der tradi­tio­nellen tschechischen Vorstellung anhaften sollte.

„Ein einstimmiges Mitteleuropa, um der Ukraine zu helfen“

Als Pavel am Donnerstag zu seiner Vereidigung um zehn vor zwölf durch das Tor der Giganten die Prager Burg betrat, kam er ausgestattet mit einem starken Mandat: Mit über 58 Prozent der Stimmen hatte er in den Präsidentschaftswahlen im Januar einen eindeutigen Sieg über seinen Gegner Andrej Babiš errungen. Doch auch die, die ihn nicht gewählt haben, seien Teil seines Teams, erklärte Pavel nach seiner Vereidigung im mittelalterlichen Wladislaus-Saal der Prager Burg. Sein Anliegen sei, so Pavel, Würde, Respekt, Anstand und weitere Werte, die man allein zugunsten des Erfolgs aufgegeben habe, in die Staatsführung zurückzubringen. Das Problem sei nicht, dass die Gesellschaft gespalten sei, sondern, dass man zu viel über die Spaltung der Gesellschaft rede, sagte er. In der Außenpolitik sehe er Tschechien als ein verbindendes Element: „Ein einstimmiges Mitteleuropa wird wichtig sein, um der Ukraine zum Sieg zu verhelfen“, erklärte Pavel zum Schluss, bevor er sich unter den Klängen des Hussitenchorals „Die ihr Gottes Streiter seid“ in den nächsten Saal bewegte, um erste Hände zu schütteln.

Den Abschluss der pompösen Vereidigung bildete eine Besinnung samt Reliquienschau in der Wenzelskapelle und eine Messe im Veitsdom, in der Dvořáks „Te Deum“ wie auch sein Oratorium der „Heiligen Ludmilla“ gespielt wurden. Die Vereidigung des Präsidenten wurde zu einem Feiertag der tschechischen Staatlichkeit, da spielte es auch keine Rolle, dass der neue Präsident bekennender Atheist ist. Seine Vereidigung stelle eine Gelegenheit dar, sich der Werte bewusst zu werden, die in letzter Zeit verloren gegangen sind, mahnte Pavel. Wie sich seine Worte in der Bevölkerung widerspiegeln, wenn der Glanz der Zeremonie verblichen ist, bleibt allerdings abzuwarten. Die Alltagsprobleme wie Rentenkürzungen, Preiserhöhungen und Inflation werden auch dann noch da sein, wenn all die Choräle verklungen sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!