: Was Wohnungslose über den Kapitalismus lehren
Der Verkäufer der Zeitschrift der Straße am Hauptbahnhof will dieselbe eigentlich gar nicht verkaufen. Ja, er hat nicht einmal mehr ein Exemplar der Bremer Straßenzeitung dabei, nur noch das Schild am Revers, das ihn als Verkäufer ausweist. Geld will er natürlich trotzdem, nur nichts dafür geben. Denn das ist am Ende womöglich lukrativer als – dem kapitalistischen Grundgedanken folgend – etwas wert zu sein, weil man etwas von Wert verkauft. Etwas fürs Geld leistet.
„Du weißt schon, dass du hier nicht betteln darfst“, sag ich zu ihm; ihn duzend, weil wir uns kennen: Ich war mal ein paar Jahre der nebenberufliche Chefredakteur des Blattes. Ja, schon, sagt er, eine Unterhaltung entspinnt sich, wir haben uns früher schon ab und zu getroffen. Am Ende kriegt er 2 Euro von mir, an der neuen Ausgabe hätte er weniger verdient.
Bremen-Mitte
17.557 Einwohner:innen,
seit 2010 gibt es hier ein Medien-, Sozial- und Lernprojekt, das die mehrfach ausgezeichnete Zeitschrift der Straße herausgibt.
Dann zieht er weiter den Bahnsteig entlang, es ist gerade voll hier. Nach ein paar Minuten kommt er wieder: „Genug für heute“, ruft er mir zu. Aber warum nicht immer weitermachen, um immer noch mehr zu verdienen? Wo er es ja doch wohl nötig hat. Was ist denn nun mit der allgegenwärtigen Profitmaximierung? Er ging mit einem Lächeln. Jan Zier
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