: Glück und Unglück im Nahduell
In Bochum zieht vor allem der patzende Torhüter Manuel Riemann den Zorn auf sich, die erneut siegreichen Schalkerdagegen sind mittlerweile das Team mit dem größten Selbstvertrauen im Tabellenkeller und freuen sich auf Dortmund
Aus Bochum Marcus Bark
So hilflos wie ihre Mannschaft waren auch die Fans des VfL Bochum. „Wir wolln euch kämpfen sehn“, sangen sie in der Ostkurve. Dabei war es das Einzige, das den Bochumern am Samstagnachmittag gelang. Der VfL begegnete einem leidenschaftlichen Gegner mit Leidenschaft. Der Gegner FC Schalke 04 hat allerdings derzeit „das Quäntchen“, wie deren Trainer Thomas Reis nach dem 2:0-Sieg bei seinem ehemaligen Verein anmerkte, auf seiner Seite.
Ein Eigentor von Torwart Manuel Riemann brachte harmlose Schalker kurz vor der Pause in Führung. Ihre gute und einzige Chance hatten die Bochumer da schon längst vergeben. Die Anhänger des VfL pfiffen und wurden nach Schlusspfiff vereinzelt sehr wütend. Riemann, der sich schon mehrere Aussetzer in dieser Saison erlaubt hatte, war das bevorzugte Ziel des Zorns, für den Trainer Thomas Letsch nach vier Niederlagen hintereinander teilweise Verständnis zeigte, allerdings seien Grenzen überschritten worden. „Die Nummer eins im Pott sind wir“, sangen die Fans im gegenüber liegenden Gästeblock euphorisch, und dabei blickten sie auch schon eine Woche voraus. Am Samstagabend steht das große Revierderby gegen Borussia Dortmund an. Es ist das Duell der beiden einzigen Mannschaften, die in der Rückrunde noch ohne Niederlage sind. Schalke holte in diesen sechs Spielen zehn Punkte bei 4:1 Toren, und das ist nach der desaströsen Hinrunde noch erstaunlicher als die 18 Punkte des BVB. „Glaube und Selbstvertrauen wachsen von Woche zu Woche“, erklärte Marius Bülter den Aufwärtstrend.
Er hatte nach einer einstudierten Eckstoßvariante in der 79. Minute den ersten Auswärtssieg in der Bundesliga seit November 2019 sichergestellt. Zuvor waren 38 Versuche erfolglos geblieben. Thomas Reis jubelte im Vergleich zu den anderen Schalkern verhalten. Mit einer deftigen Beleidigung auf einem Plakat („Wenn du kein ehrenloser Bastard bist, wer dann?“) war er von den Bochumer Fans empfangen worden, mit seinem Verhalten und in den Interviews war Reis bemüht, die Nachwehen des Wechsels im vergangenen Oktober zu beruhigen. Er feiere „innerlich“, zum Plakat wollte er nichts sagen.
Der FC Schalke gab den letzten Tabellenplatz an den VfL Bochum ab. Die beiden Vereine haben je 19 Punkte auf dem Konto, genau wie die davor platzierten TSG Hoffenheim und VfB Stuttgart.
Der Trend spricht klar für den FC Schalke, der bei absehbarer Schwäche in der Offensive darauf angewiesen sein wird, defensiv das hohe Niveau zu halten. Der Wechsel zu Torwart Ralf Fährmann nach der Hinrunde erweist sich bislang als goldrichtig, genau wie die Verpflichtung von Moritz Jenz. Der Innenverteidiger kam auf Leihbasis vom FC Lorient, der ihn zuvor an Celtic Glasgow ausgeliehen hatte. In den sechs Gruppenspielen der Champions League war Jenz für den schottischen Klub im Einsatz, aber auch das dürfte nicht verhindert haben, dass die meisten deutschen Fußballfans von ihm noch nichts gehört hatten, als die Schalker im Januar meldeten, einen Verteidiger mit den Vorzügen „Tempo und Zweikampfstärke“ verpflichtet zu haben.
Jenz wurde in Berlin geboren und wechselte mit 13 Jahren zum FC Fulham nach England. Inzwischen ist er 23 Jahre alt und in der Bundesliga gelandet, ohne sich je seinen ehemaligen Traum erfüllt zu haben, mal in der Premier League zu spielen.
Aktuell träumt Jenz, der seine angepriesenen Qualitäten auf Schalke bestätigten konnte, von einer festen Verpflichtung.
Ein „Hammer“ wäre das für ihn – und für alle Schalker gewiss auch. Der Leihvertrag sieht vor, dass Jenz bei Klassenerhalt für kolportierte vier Millionen Euro gekauft werden muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen