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Cross und knackig

Die Zeit der Frühjahrsklassiker im Radsport bricht an, und beim Mehrtagesrennen Tirreno-Adriatico duellieren sich vor allem die Geländespezialisten Pidcock, van Aert und van der Poel

Zielsprint bergauf in Siena: Thomas Pidcock gewinnt die Strade Bianche Foto: AP

Aus Follonica Tom Mustroph

Gleich drei Crossweltmeister wollen den Tirreno-Adriatico aufmischen, der am Montag unter Sonnenschein an der Mittelmeerküste der Toskana begann. Der Crossweltmeister des letzten Jahres und frischer Sieger des Sandstraßenklassikers Strade Bianche, Tom Pidcock, fordert die beiden anderen Seriensieger im Gelände, Mathieu van der Poel und Wout van Aert, heraus. Der Dreikampf zwischen dem Niederländer van der Poel (fünf Mal Crossweltmeister und sieben große Klassikersiege), dem Belgier van Aert (drei WM-Titel im Cross und fünf Klassikersiege auf der Straße) und dem Briten Pidcock, der neben seinem WM-Titel im Cross auch Mountainbike-Olympiasieger ist sowie zwei Klassiker auf der Straße gewann, verspricht ein Höchstmaß an Spannung. Es ist zugleich ein Zeichen für die weitere Wandlung des Straßenradsports: immer komplexer, immer spannender und immer unberechenbarer.

Gewöhnlich ist die siebentägige Fahrt zwischen dem Tyrrhenischen Meer und der Adria der klassische Vorbereitungskurs der Rundfahrtspezialisten auf Tour de France und Giro d’Italia. Das ist das Rennen auch weiterhin. Girosieger Jai Hindley bereitet sich hier auf die Frankreich-Rundfahrt vor. Ambitionen auf einen Gesamtsieg bei der kleinen Rundfahrt in Italien hat er aber nicht. „Ich bin in der Vorbereitung noch nicht weit genug. Für mich ist im Hinblick auf die Tour die Baskenlandrundfahrt (Anfang April) relevanter“, sagt der Australier der taz. Der Bora-Profi hält daher die designierten Giro-Anführer seines Rennstalls – Alexander Vlasov und Lennard Kämna – für prädestinierter. Vlasov wie Kämna haben das Klassement beim Tirreno im Visier – und mit Hindley starke Unterstützung.

Der zweite Grand-Tour-Sieger im Feld, der dreifache Vuelta-König Primoz Roglic, nutzt das Rennen ebenfalls eher zur Orientierung. „Er war gar nicht für den Tirreno geplant. Dann zeigte sich aber, dass er in seiner Vorbereitung weiter ist als gedacht. Jetzt ist er als zusätzliche Unterstützung hier“, erklärt Teamkollege van Aert. Der Belgier lieferte sich vor zwei Jahren mit Dauerrivale van der Poel einen elektrisierenden Kampf beim Tirreno. Vier der insgesamt sieben Etappen gewann einer der beiden. Ihre Vorstöße sprengten regelmäßig das Peloton. Van der Poel steuerte zudem eine lange Soloflucht ein.

Mit fröhlichen Gesichtern erinnern sich die beiden an diese Show vor zwei Jahren. Sie schränken allerdings ein, dass der Parcours ihnen in diesem Jahr weniger Terrain zum Brillieren zur Verfügung stellt. „Drei Etappen werden wahrscheinlich im Massensprint enden. Das Profil ist in diesem Jahr für uns nicht so geeignet“, schätzte van der Poel ein – und van Aert nickte. Etappensiege wollen sie dennoch holen. Wie auch Pidcock. Der zeigte am Samstag bei den Strade Bianche beeindruckende Form. Rivale van der Poel konnte bei seinem entscheidenden Antritt nicht kontern. Van Aert saß im Flugzeug. Er verzichtete auf die Strade Bianche, um sich im Höhentrainingslager mehr frischen Sauerstoff in die Blutbahnen zu bringen. Beim Tirreno will er sich die Rennhärte für die kommenden großen Klassiker holen. Sucht der Belgier intensiv Rennhärte, konnte in der Vergangenheit meist nur van der Poel mithalten.

„Ich bin in der Vorbereitung noch nicht weit genug“

Jai Hindley, Grand-Tour-Experte

Mit Pidcock haben die beiden nun einen ernsthaften neuen Konkurrenten. Seine gute Frühform verdankt der Ineos-Profi einer umstrittenen Entscheidung. Er verzichtete im Februar darauf, seinen Cross-WM-Titel zu verteidigen. „Die WM ist zu nah am Klassikerauftakt“, begründete er – und fing sich Unmut im Lager der Geländefahrer ein. „Wieso fährt er überhaupt Cross im Winter, wenn er die WM auslässt?“, maulte der Titelträger von 2008, Lars Boom. Im Rückblick war das aber eine schlaue Entscheidung. Van Aert klagte, dass die Winterstrapazen im Gelände seine Straßenvorbereitung beeinträchtigt hätten. „Die Umstellung fiel mir in diesem Jahr schwerer als erwartet“, sagt er.

Zu den Gesichtern des Tirreno-Adriatico dürfte er dennoch zählen. Interessant wird sein, welche Strategien die richtigen waren: Das Winterprogramm durchziehen oder dosieren? Dass sich solche Fragen stellen, beweist, wie sehr sich der Radsport verändert. Vielseitigkeit ist Trumpf.

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