Neue Reptilienarten in Süddeutschland: Gentrifizierung auf schildkrötisch
In Baden-Württemberg haben sich nordamerikanische Schildkröten angesiedelt. Putzig? Wohl eher problematisch: Sie bedrohen eine heimische Art.
Waschbären, die Mülltonnen durchwühlen, fischfressende Ochsenfrösche und asiatische Marienkäfer mit 19 statt 6 Punkten – sogenannte Neozoen sind Tiere, die eigentlich in anderen Teilen der Erde heimisch sind, sich aber in Deutschland angesiedelt haben. Sie gelangen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen nach Deutschland. Oder sie werden von Tiersammler:innen eingeführt und widerrechtlich in Wäldern oder Parks ausgesetzt.
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Zum Beispiel im Seepark Freiburg. Dort werden seit Jahren drei Schildkrötenarten gesichtet, die eigentlich in Nordamerika beheimatet sind: die gewöhnliche Schmuckschildkröte, die Falsche Landkarten-Höckerschildkröte und die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte. Ein Forscher:innenteam von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat jetzt untersucht, ob sich die Arten mittlerweile erfolgreich angesiedelt haben, also ob sie sich selbständig und regelmäßig fortpflanzen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Neobiota“.
Die Studie
Um die Verbreitung der Arten zu erfassen, braucht es Wissen über die Genetik der Tiere. Deshalb besuchten die Forscher:innen zwischen Mai und August 2020 die Schildkröten an zwei Gewässern: dem Flückigersee in Freiburg und dem Altrhein in Kehl. Beide Orte liegen in Baden-Württemberg, dem wärmsten Bundesland Deutschlands, das die besten Bedingungen für das Überleben der Schildkröten bietet. Vor Ort fingen sie die Schildkröten mit Netzen und Lebendfallen und nahmen ihnen anschließend Blut ab. Die genetischen Untersuchungen zeigten: Die invasiven Schildkrötenarten haben sich tatsächlich erfolgreich angesiedelt. Das sei der erste Nachweis erfolgreicher Fortpflanzung nicht-heimischer Schildkrötenarten in Deutschland, schreiben die Forscher:innen. Und auch der nördlichste bisher bekannte Ort, an dem die Arten vertreten sind.
Was bringt's?
Wenn sich neue Tierarten niederlassen, wirkt sich das oft auf das gesamte Ökosystem aus. Waschbären haben zum Beispiel in Deutschland kaum Fressfeinde, stellen aber selbst eine Bedrohung für zahllose Insekten, Reptilien und Amphibien dar. Die Nordamerikanischen Schildkröten bedrohen nun vor allem eine andere Tierart: die vom Aussterben bedrohte Europäische Sumpfschildkröte. Frühere Forschung hat gezeigt, dass die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte talentierter bei der Suche nach Nahrung und Sonnenplätzen ist. In Laborversuchen, in denen nordamerikanische und europäische Arten zusammen gehalten wurden, verloren Vertreter der Europäischen Sumpfschildkröte Gewicht und starben schneller. Mit dem Wissen, dass sich die neuen Arten erfolgreich angesiedelt haben, können Wissenschaftler:innen nun Strategien entwickeln, um heimische Arten vor dem Aussterben zu retten.
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