: Des ko ja was wean!
DAHOAM Der FC Bayern glaubt auch im Falle einer Niederlage im Finale der Champions League gegen Chelsea an seine sportlich-strategische Überlegenheit – und an sein prall gefülltes Festgeldkonto
2001 FC Bayern - FC Valencia 5:4 i.E. 2002 Real Madrid - Leverkusen 2:1 2003 AC Mailand - Juve. Turin 3:2 i.E 2004 FC Porto - AS Monaco 3:0 2005 FC Liverpool - AC Milan 3:2 i.E 2006 FC Barcelona - FC Arsenal 2:1 2007 AC Mailand - FC Liverpool 2:1 2008 ManUnited - FC Chelsea 6:5 i.E. 2009 FC Barcelona - ManUnited 2:0 2010 Inter Mailand - FC Bayern 2:0 2011 FC Barcelona - ManUnited 3:1
■ Faktencheck Bayern: Mit dem fünften Sieg in der Champions League beziehungsweise dem früheren Pokal der Landesmeister stünde Bayern München nach dem Endspiel am Samstag gegen den FC Chelsea in diesem Wettbewerb auf einer Ebene mit dem FC Liverpool. Mehr Siege im wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb hätten dann nur noch Real Madrid (9) und der AC Mailand (7) vorzuweisen. Für den FC Bayern wäre es der siebte europäische Titel, nur vier Mannschaften haben mehr. Der deutsche Rekordmeister ist zudem einer von nur vier Vereinen, die alle drei europäischen Wettbewerbe mindestens einmal gewonnen haben.
■ Faktencheck Chelsea: Der FC Chelsea hat bereits ein Endspiel in einem europäischen Wettbewerb gegen eine deutsche Mannschaft bestritten: das Finale im Uefa-Pokal 1998. In Stockholm trafen die Engländer damals auf den VfB Stuttgart und gewannen 1:0. Der FC Chelsea hat in dieser Saison in der Champions League auch schon gegen eine deutsche Mannschaft gespielt: In der Gruppenphase verloren die Blues in Leverkusen 1:2, zuvor hatten sie das Heimspiel 2:0 gewonnen. Von den insgesamt 13 Spielen gegen deutsche Mannschaften hat der FC Chelsea sieben gewonnen und vier verloren.
AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER
Die Weltenläufe wird dieses Fußballspiel am Samstagabend nicht wirklich tangieren. Nord- und Südpol werden ihre Position halten, und auch die Sonne wird am Sonntag im Osten aufgehen, zumindest in Europa. Auch tektonische Verschiebungen in der Fußballszene des Kontinents sind kaum zu erwarten. Verliert Chelsea und zieht Mäzen Abramowitsch nach 1,1 Milliarden Euro Investitionen in den Londoner Klub den Stecker, „dann kannst du die als Puzzle am Kiosk kaufen“, glaubt Bayern-Präsident Uli Hoeneß, „wenn wir gewinnen, machen wir 20 bis 25 Millionen Euro Gewinn: sportlicher Erfolg auf Basis wirtschaftlicher Vernunft.“ Und wenn nicht?
Zu diesem Szenario will natürlich vorab kaum jemand etwas sagen. Ein zweites Jahr ohne auch nur irgendeinen Titel? Undenkbar beim FC Ruhmreich und eigentlich ein Grund zur sofortigen Selbstauflösung. Passieren wird in diesem Fall erst mal: nichts. Jupp Heynckes bleibt Trainer und hilft Freund Hoeneß beim Nachfolger-Suchen. Der Stamm der Mannschaft bleibt unverändert, da neun Leistungsträger langfristig unter Vertrag sind: Arjen Robben, David Alaba, Toni Kroos, Thomas Müller und Franck Ribéry bis 2015, Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Mario Gomez gar bis 2016. Hinzu kommen der Baseler Xherdan Shaqiri, Gladbachs Innenverteidiger Dante, Ersatztorwart Tom Starke und dann noch „eine Bombe im Sturm“ (Hoeneß). „Man muss den Kader vielleicht gnadenlos qualitativ vergrößern, auch im Hinblick auf die EM“, sagt Hoeneß, „wir werden unsere Mannschaft so lange verstärken, bis wir wieder alleine sind. Und: Wir haben das Geld dazu.“ Wohl wahr: 350 Millionen Euro bedeuten einen Umsatzrekord.
Was sich nicht ändern wird, ist das Spiel des FC Bayern. Willy Sagnol, mit Bayern Champions-League-Sieger 2001, sagt: „Bayern hat eine Erfolgsphilosophie, Dortmund eine Spielphilosophie. Bayern gewinnt oft, wenn Ribéry, Robben oder Gomez etwas gelingt, aber das beruht selten auf Spielzügen.“ Und weiter: „Die Spieler heute haben sicher mehr fußballerische Qualität. Wir waren dagegen eine Mannschaft mit viel Charakter. Das fehlt dem Team heute. Das ‚Leadership‘ ist nicht optimal. Das sieht man in schwierigen Phasen. Aber ein Verein kann nicht immer einen Effenberg, einen Kahn oder einen Jeremies haben.“ Stefan Effenberg, Anführer des 2001er-Teams, sieht das ähnlich: „Es wäre sinnvoll, wenn Bayern im System flexibler wäre. Im Vergleich zu Dortmund agieren sie zu statisch. Es ist nicht gut, immer nur darauf zu hoffen, dass Ribéry und Robben nicht gestoppt werden können. Die Einkaufspolitik war nicht immer das Gelbe vom Ei. Es muss was gemacht werden, damit sich die in der ersten Elf nicht zu sicher fühlen.“ Ribéry sieht die Kritik gelassen: „Was willst du machen, wir sind da“, sagt er. Soll wohl heißen: Es liegt an uns.
Ein gewisser Christian Nerlinger, angeblich Sportdirektor beim FC Bayern, sieht den Klub dagegen „gut aufgestellt, auch schon für die Zukunft“. Die nähere Zukunft heißt freilich: Robbery und das Prinzip Hoffnung.
AWAY Mit Spielern, die schon ausgemustert waren und ihre beste Zeit lange hinter sich haben, und einem Trainer, der keine Zukunft hat, will der FC Chelsea Bayern München den Abend im heimischen Stadion vermasseln
VON RALF SOTSCHECK
Im englischen Fußball wimmelt es von „tragischen Figuren“, die entscheidende Elfmeter gegen deutsche Mannschaften versiebt haben. Deshalb ließ Roberto di Matteo, der Interims-Trainer des FC Chelsea, vor dem heutigen Champions-League-Finale gegen Bayern München wochenlang Elfmeter üben. Er weiß aber auch, dass ihm das nichts nützen wird: „Auf dem Trainingsplatz ist der Druck nicht so groß wie in so einem Finale“, sagte er.
Für den ehemaligen Chelsea-Spieler wird es wohl das letzte Spiel als Interims-Trainer sein. Er ist Anfang März für seinen Boss André Villas-Boas eingesprungen, den Chelseas Eigentümer, der russische Ölmilliardär Roman Abramowitsch, vor der Saison für 15 Millionen Euro vom FC Porto eingekauft hatte. Der Portugiese sollte einen Generationswechsel einleiten. Er ließ Spieler wie Frank Lampard (33) und John Terry (31), der sich zurzeit wegen rassistischer Beschimpfung eines Gegenspielers vor Gericht verantworten muss, öfters auf der Bank. Damit leitete er jedoch statt des Generationswechsels seinen eigenen Abgang ein, denn er hatte den Einfluss von Lampard und Terry unterschätzt, die heftig gegen ihn agitierten. Fabio Capello, der wegen Terrys Absetzung als Englands Kapitän durch den englischen Fußballverband von seinem Posten als Nationaltrainer Englands zurückgetreten ist, hat sich mittlerweile um die demnächst vakante Stelle bei Chelsea beworben.
Di Matteo scherte sich im Gegensatz zu Villas-Boas nicht um eine Verjüngung der Mannschaft, um sie für die Zukunft zu rüsten, denn mit der Zukunft würde er als Zwischenlösung ohnehin nichts zu tun haben. Er setzte auf die alten Herren und hatte damit Erfolg. Im Viertelfinalspiel der Champions League drehte man den Spieß gegen Neapel nach einer 1:3-Auswärtsniederlage um und gewann zu Hause 4:1. Die Tore schossen Drogba, Terry und Lampard, die von Villas-Boas ausgemustert worden waren. Für die erfahrenen Akteure wie Torhüter Petr Cech, Ashley Cole, Lampard und den nimmermüden Stürmer Drogba, die 2008 bei der Final-Niederlage gegen Manchester United FC dabei waren, ist es die zweite Chance, die Champions League zu gewinnen. In Moskau verloren sie im Elfmeterschießen. Trainer di Matteo will dies nicht verdrängen. „Natürlich haben wir uns über das Endspiel unterhalten“, sagt er.
John Terry wird im Münchner Finale wegen seiner törichten Roten Karte für eine Tätlichkeit im Halbfinalspiel beim FC Barcelona fehlen, ebenso wie drei andere wichtige Spieler. Die Aussichten für seine Mannschaft schätzt di Matteo dennoch mit „fifty-fifty“ ein. Es ist die letzte Chance, in der nächsten Saison in der Champions League zu spielen, denn in der Liga landete man nach einer verkorksten Saison nur auf Platz sechs. Im Gegensatz zum FC Bayern gewann Chelsea allerdings das englische Pokalfinale gegen den FC Liverpool. Di Matteo war bei Bayerns Untergang gegen Dortmund in Berlin dabei. „Sie haben Schwächen, wie jede Mannschaft“, frohlockte er danach. „Ich werde allerdings nicht verraten, welche.“ Mit den Spielern wird er schon darüber geredet haben. Er sagt aber auch: „Man kann eine Mannschaft nicht aufgrund eines Spiels bewerten.“
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