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wortwechselEs gilt: „Jede Jeck is anders!“

Karneval ist nicht nur spießig. Die Politik sollte die Ressourcen statt in die Straßen lieber in den Schienenbau stecken, und Kühe sind nicht immer klimaschädigend

Weiberfastnacht auf der Domplatte in Köln  Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Karneval und Klischees

„Über den einfachen Narren“/„Kein Ort für Büttenreden“/„Trotzige Narren“,

wochentaz vom 11. bis 17. 2. 23

Gleich drei Artikel in der letzten wochentaz beschäftigen sich mit dem Phänomen Karneval. Während Jan-Paul Koopmann sich wenigstens noch die Mühe gibt, dem Karnevals-Gen in der Diaspora im protestantischen Niedersachsen nachzuspüren, wiederkäuen Andreas Hartmann und Arno Frank frei von Kenntnis und seriöser Recherche nur die altbekannten Vorurteile und Klischees („spießig“, „reaktionär“). Man muss den Karneval ja nicht mögen, aber als Journalist hat man nun mal die Pflicht zu ordentlicher Recherche. Hätte man dies getan, man wäre sehr schnell darauf gestoßen, dass es den einen Karneval überhaupt nicht gibt. Und dass es – vor allem in Köln – viele nicht mit Vereinsmeierei behaftete Formen des Fastelovend gibt: Anarchische „Geisterzüge“, linksalternative „Stunksitzungen“, multikulturelle „Immisitzungen“ sind nur einige Beispiele.

Auch Karnevals-Rockbands mit sozialkritischem Textrepertoire gibt es längst zuhauf. Diese Bands waren es auch, die nach dem Nazi-Brandanschlag von Rostock-Lichtenhagen antirassistische Veranstaltungen in Köln wie „Arsch huh, Zäng ussenander“ (Arsch hoch, Mund aufmachen) initiiert haben. Auch die hervorragende feministische Büttenrede der von mir ansonsten wenig geschätzten Agnes Strack-Zimmermann, die sie in Aachen anlässlich der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst als böse Stiefmutter Schneewittchens gehalten hat, wäre mehr als nur ein Nebensätzchen zu den daraufhin entgleisten Gesichts­zügen von Friedrich Merz wert gewesen.Ich will jedoch nicht bestreiten, dass es leider auch viele „Karnevalisten“ gibt, die Karneval mit „Saufen in Verkleidung“ verwechseln, und dass es in den letzten Jahren zu einer Ballermannisierung mancher Veranstaltung gekommen ist. Traditionell gehören übrigens besinnlich-melancholische Beiträge oder Songs zu jeder gelungenen Karnevalsveranstaltung.

Es hülfe ja vielleicht schon, machten die Autoren sich einfach nur wirklich die folgende kölsche Maxime zu eigen: „Jede Jeck is anders!“ (Jeder Narr ist anders, aber Jeder ist eben ein Narr).

Dieter Wagner, Bochum

Vandana Shiva

„Der Wald war schöner als die Disco“,

wochentaz vom 11. bis 17. 2. 23

Als ich das interessante Interview mit der Wissenschaftlerin und Ökoaktivistin Vandana Shiva las, stießen mir zwei Anmerkungen der Redaktion nach Äußerungen Frau Shivas unangenehm auf. Uns LeserInnen wird in Klammern mitgeteilt, dass andere das anders sehen. Entging es mir bisher oder ist das tatsächlich einzigartig? Bisher las ich in der taz noch nie derartige Relativierungen der Aussagen von InterviewpartnerInnen. Wer wird da gemaßregelt, Frau Shiva, die sich – wie ungewöhnlich – nicht im Einklang mit sämtlichen anderen WissenschaftlerInnen befindet, oder die Interviewerin, die nicht kritisch nachfragt?

Wenn die Redaktion denkt, es müsse auch eine andere Position erwähnt werden, so kann sie jemand anderen interviewen oder eine Gegenposition schreiben. Die hier gewählte Methode – kombiniert mit dem Halbsatz „Shiva ist etwas wackelig auf den Beinen …“ in der Einleitung erscheint mir nicht nur schulmeisterlich, arrogant und überflüssig, sondern auch diskriminierend.

Christine Grab, Schönau

Resourcen effektiver investieren

„Fahrn, fahrn, fahrn, auf der Autobahn“,

wochentaz vom 11. bis 17. 2. 23

Wenn zwischen Bonn und Köln eine neue Rheinbrücke, die „Rheinspange“, gebaut werden soll, liest man in den örtlichen Medien fast ausschließlich Zustimmung von den Bürgermeistern, den Industrie- und Handelskammern, den örtlichen Politikern. Scheinen diese pro Jahr eingesparten 1,3 Millionen Stunden Reisezeit und 2.000 t CO2 nicht ein wunderbares Geschenk, das die hohe Politik den Bürgern der Metropolregion da zukommen lassen wird? Wer wollte da Nein sagen, wenn ein Installateur von Bornheim durch den Tunnel schneller zu seinen Kunden in Niederkassel kommt?

Aber dieses Geschenk ist überhaupt nicht kostenlos. Es wird, vielleicht in 15 Jahren fertig, am Ende deutlich mehr Geld als geplant gekostet haben. Und: Es wird Personal bei der Planung und Kräfte im Tiefbau binden, und an beidem, und besonders an Fachkräften, fehlt es überall. Und da muss man an die hohe Politik mit den Spendierhosen, in NRW und in Berlin, doch die Frage stellen, ob diese Ressourcen nicht wesentlich effektiver im Schienenverkehr und in der Renovierung vorhandener Brücken investiert wären.

Klaus Fietzek, Bornheim

Wortakrobatik

„Die Sirenen von Mitrovica“,

wochentaz vom 11. bis 17. 2. 23

Niemandem ist damit geholfen, wenn der Versuch, geschlechterneutral zu formulieren, solch sprachliche Monströsität gebiert: „Albanische KosovarInnen attackierten Serben und Roma, mehrere Menschen starben.“ Ich wette darauf, daß der albanische Mob ausschließlich aus Männern bestand. Ihr Satz suggeriert das glatte Gegenteil. Ich bitte Sie darum, Ihren rationalen Journalismus nicht unter alberner Wortakrobatik leiden zu lassen.

Lars Meinhardt, Wardenburg

Politisches Buch

„Absolute Unterwerfung“,

wochentaz vom 4. bis 10. 2. 23

Orlando Figes sieht in seiner erfolgreichen „Geschichte Russlands“ in der Mongolenherrschaft einen entscheidenden Grund dafür, dass das Land immer und zwangsläufig eine expansive Politik treibe. Die Moskauer Zaren hätten die Herrschaftstechniken der Mongolen übernommen, die keine Gegenkräfte in der Gesellschaft duldeten. Diese negative Wirkung schreibt er sogar Einrichtungen zu, die bereits im Kiewer Reich existierten, behauptet, sie hätten sich während der Mongolenherrschaft verstärkt, und schlägt dann plötzlich die Brücke zu Putin. Auch bei der Schilderung anderer Missstände im Verlauf der Geschichte folgt immer wieder ein ermüdendes „Genauso ist es noch heute“ in kaum variierenden Formulierungen.

Immerhin verweist der Autor es ins Reich der nationalen Mythen, dass Ukrainer, weil ihr heutiges Gebiet nach dem Mongolensturm bald unter die Vorherrschaft Litauens und dann Polens geriet, schon immer freiheitsliebender und europäischer gewesen sein sollen. In Michael Brumliks Rezension wird aber gerade das zu einer der Hauptaussagen von Figes’ Buch erhoben. So überbieten sich Autor und Rezensent in ahistorischen Legitimationen für ihre politischen Präferenzen.

Robert Schweitzer, Lübeck

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