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: „Ich habe viel Musik in mir“

Ulla Schmidts Begleitung verzaubert Stummfilme

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Schmidt, welche Art von Musik spielen Sie am Sonntag zu den Silhouetten-Trickfilmen von Lotte Reiniger?

Ulla Schmidt: Ich spiele ohne Noten und kann im Stil klassischer Komponisten improvisieren. Außerdem habe ich mich in afrikanischer Perkussion ausbilden lassen. Das prägt mein Spiel insofern, als dass ich Elemente der Weltmusik mit einfließen lasse. Das Reiniger-Programm werde ich deshalb nicht nur auf dem Klavier, sondern auch auf Instrumenten wie der Wasserharfe und der Talking-Drum begleiten.

Würde nicht Mozart gut zu den poetischen und orientalischen Stimmungen von Lotte Reinigers Filmen passen?

Ja, aber gerade auch Claude Debussy hat wunderbar schillernde Sachen komponiert. Die spiele ich, wenn die kleinen Feen auftauchen.

Bedienen Sie sich für Ihr Spiel frei am Fundus klassischer Musik?

Ich habe ja viel gespielt, sodass ich viel Musik in mir habe. Die kommt dann in mir hoch und wird von mir verwandelt. Ich beziehe mich dabei auf romantische, impressionistische und neue Musik und arbeite auch mit Elementen des Jazz und freitonaler Musik.

Foto: privat

Ulla Schmidt

66, Musikerin, hat Cello und Gesang in Osnabrück und Hannover studiert, tritt bundesweit als Stummfilmpianistin auf.

Können Sie Ihren Stil der Stummfilmbegleitung beschreiben?

Es gibt ja das sogenannte Mikey Mousing, bei dem die Musik zeitlich haarscharf das begleitet, was man sieht. Das mache ich nicht. Ich versuche stattdessen eine Atmosphäre zu schaffen, die zum Film passt, aber darüber hinaus auch etwas Eigenes hat. Ich verdoppele nicht einfach, was man sieht, sondern gehe stattdessen eine Etage tiefer. Wenn zum Beispiel eine Szene eigentlich glücklich und lustig ist, danach aber etwas Trauriges kommt, spiele ich gerne etwas unterschwellig Klagendes, um das vorwegzunehmen.

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Stummfilmbegleitungen vor?

Ich schaue mir den Film erst an und mache mir Notizen. Dann probe ich zwei oder dreimal. Aber mehr nicht, denn ich will die Spontaneität nicht verlieren.

Wird Ihr Spiel auch durch die Reaktionen des Publikums beeinflusst?

„Bezaubernde Märchen und Geschichten“, Ulla Schmidt begleitet Scherenschnitt-Animationen von Trickfilm-Pionierin Lotte Reiniger, 19. 2., Cine K, Oldenburg, 16 Uhr

Ja. Ich habe zum Beispiel Charlie Chaplins „Modern Times“ schon oft begleitet. Vor ein paar Tagen war das Publikum dabei stumm, obwohl es so lustig und schräg war. Da spiele ich dann völlig anders, als wenn die Leute mitgehen, lachen und staunen.

Müssen Sie die Filme, die Sie begleiten, auch selbst mögen, oder ist dies für Sie eher ein Handwerk?

Nein, das wäre mir zu wenig, Ich will ja auf der Bühne auch mein Vergnügen haben und am Gesamterlebnis teilhaben. Es geht mir letztlich um Kontakt zum Film und zum Publikum.