Schwierige Hilfe

Sorge um möglichen Zusammenbruch des nordsyrischen Gesundheitswesens

Von Jannis Hagmann

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien läuft die Hilfe für die Abertausenden Betroffenen auf der ­syrischen Seite noch immer äußerst schleppend. Während etliche Länder – etwa die Arabischen Emirate (VAE), Iran, Indien, Algerien oder China – Hilfe in die vom syrischen Regime kontrollierten Gebiete geschickt haben, sind bislang nur vereinzelte Hilfskonvois in die von Aufständischen gehaltenen Gebiete im Norden Syriens vorgedrungen.

Als erstes Land soll Saudi-Arabien am Wochenende offizielle Hilfen in ein von den Erdbeben schwer getroffenes Gebiet in Nordsyrien geschickt haben. Das saudische Staatsfernsehen zeigte Bilder, wie Lastwagen mit insgesamt rund 100 Tonnen Hilfsgütern von der Türkei nach „Nordsyrien“ fuhren. Nach Angaben von Aktivisten ging die Hilfe in die besonders betroffene und von einer islamistischen Miliz kontrollierte Kleinstadt Dschindiris. Auch ein auf die Suche nach Verschütteten spezialisiertes saudisches Team sei zusammen mit den Hilfstransporten angekommen, hieß es von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihren Sitz in London hat.

Die syrischen Rebellengebiete sind entweder über die türkisch-syrische Grenze oder – zumindest theoretisch – über die Frontlinien innerhalb des Bürgerkriegslands Syriens erreichbar. Von den vielen Übergängen an der türkisch-syrischen Grenze war zuletzt jedoch nur noch einer, Bab al-Hawa, offen für UN-Hilfslieferungen. Einen zweiten Grenzübergang nach Nordsyrien, Bab al-Salameh, soll am Freitag allerdings ein erster Hilfskonvoi aus dem kurdischen Autonomiegebiet im Irak passiert haben. Am Tag zuvor hatte ein erster UN-Konvoi von sechs Lastwagen über Bab al-Hawa den Nordwesten Syriens erreicht.

In den Rebellengebieten in Nordsyrien war die humanitäre Lage bereits vor den Erdbeben katastrophal. Nach UN-Angaben waren von 4,6 Millionen Menschen in Nordwest-Syrien vor der Katastrophe 4,1 Millionen auf Hilfe angewiesen. Knapp drei Millionen Menschen sind Binnenvertriebe aus anderen Teilen Syriens; die Hälfte davon lebt weiterhin in Zeltlagern.

„Es wird erwartet, dass die Zahl der Verletzten noch ­weiter ansteigt, und es gibt Befürchtungen, dass das ­Gesundheitssystem in dem Gebiet einfach nicht mehr ausreicht“, teilte am ­Samstag Elias Abu Ata von der ­Hilfsorganisation ­International Rescue Committee (IRC) mit. „Schon vor dem Erdbeben waren ein Drittel aller Krankenhäuser und fast die Hälfte der primären Gesundheitszentren in Syrien nicht funktions­fähig.“

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