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: „So erkennt man, wie infam und verlogen dieser Film ist“

In Bremen wird „Wiedersehen mit Brundibár“ gezeigt: Jugendliche spielen eine Oper aus dem KZ nach

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Wolfsperger, in Ihrem Film spielen Berliner Jugendliche auf einer Theaterbühne die Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása nach, die im KZ Theresienstadt uraufgeführt wurde. Wie kam es dazu?

Douglas Wolfsperger: Ich wäre ja nie auf die Idee gekommen, einen Film über den Holocaust zu machen. Aber dann habe ich von dieser Kinderoper erfahren. Dadurch ist ein vier bis fünf Jahre langer Prozess in Gang gesetzt worden, und das Thema hat mich langsam eingekreist. Der wichtigste Teil dieses Puzzles war, dass ich die Holocaust-Überlebende Greta Klingsberg kennengelernt habe. Sie hat damals zusammen mit ihrer Schwester in Theresienstadt an der Kinderoper mitgewirkt. Danach kamen beide nach Auschwitz. Ihre Schwester wurde dort umgebracht, sie überlebte.

Ist solch eine präsente und sympathische Protagonistin nicht ein Glücksfund für einen Dokumentarfilmer?

Ja, Greta ist charismatisch und trotz ihres Schicksals sehr lebensfroh. Das ist etwas, das der Film gebraucht hat.

Ihr Film wird ja auch dann lebendig, wenn Greta und die Jugendlichen sich kennenlernen. In einer Szene erzählt sie etwa einer Jugendlichen von Auschwitz und die antwortet mit „Ich habe ja auch eine Schwester.“ Wie finden Sie als Filmemacher solche Momente, die bewegen und alles auf den Punkt bringen?

Es ist ja mein Job, so etwas herzustellen.

Foto: Joachim Gern

Douglas Wolfsperger 1957 in Zürich geboren, ist Regisseur von Spiel- und Dokumentarfilmen. Bekannt wurde er durch ein Werk über ein altes Wiener Programmkino sowie den Film „Der entsorgte Vater“.

Das ist aber eine überraschende Beschreibung Ihrer Arbeitsmethode.

Ich komme vom Spielfilm und inszeniere immer noch vieles. Mich interessieren die Mischformen und ich meine, man darf beim Dreh auch eingreifen – wenn man die Menschen vor der Kamera dabei nicht verstellt darstellt.

Die Inszenierung der Kinderoper an der Berliner Schaubühne sowie die Reise von Greta und den Jugendlichen nach Theresienstadt waren ja auch von Ihnen initiiert.

Ja, in Berlin gibt es die Jugendtheatergruppe „Die Zwiefachen“. Aber die Jugendlichen hatten zuerst gar keine Lust, sich in ihrer wertvollen Freizeit ausgerechnet mit dem Holocaust zu beschäftigen. Singen wollten sie auch nicht und schon gar keine Oper. Aber die Theaterpädagogin Uta Plate konnte sie dann von meinem Konzept überzeugen.

Sie haben ja auch Ausschnitte aus dem Nazifilm „Theresienstadt – Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ in Ihren Film integriert, in dem eine Vorstellung der Kinderoper eine große Rolle spielt. Ist es nicht problematisch, mit diesen Bildern aus einem Propagandafilm zu arbeiten?

„Wiedersehen mit Brundibár“ wird am Mittwoch um 20 Uhr im Bremer Kino City 46 in einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung gezeigt. Douglas Wolfsperger stellt dort seinen Film persönlich vor.

Dieses Nazimaterial ist so in dem Film eingebettet, dass Greta Klingsberg immer gleich erzählt, wie es wirklich war. So erkennt man, wie infam und verlogen dieser Film ist, in dem so getan wurde, als sei Theresienstadt ein Feriencamp für die Juden gewesen.

Ihr Film wurde schon 2014 fertiggestellt, und er wird immer noch viel gespielt, oft auch in Schulvorstellungen. Ist das für einen Dokumentarfilm nicht ungewöhnlich?

Ja, bei meinen anderen Filmen ist das nicht so. Es scheint, dieser hat eine ganz eigene Substanz und Relevanz und deshalb auch eine viel längere Haltbarkeit. Dies ist mein Glücksfilm geworden.