: „Der Speed ist da“
Am Montag beginnt die alpine Ski-WM. Abfahrer Thomas Dreßen über lange Verletzungspausen, seine Ziele und das Herantasten an eine Strecke
Interview Elisabeth Schlammerl
taz: Herr Dreßen, Sie sind schon am Wochenende nach Courchevel gereist, obwohl das erste Training für die WM erst mit dem ersten Abfahrtstraining am Mittwoch beginnt. Haben Sie es so eilig gehabt?
Thomas Dreßen: Die Trainer hatten mal kurz überlegt, ob ich später anreisen soll. Aber mir ist es ganz recht, dass ich jetzt schon da bin. Da konnte ich mir schon ein Bild von den Örtlichkeiten machen, weiß, mit welchem Lift ich wie lange brauche. Das sind so Kleinigkeiten, die ein bisschen Stress machen können.
Vor zwei Jahren in Cortina d’Ampezzo sind Sie nach einer Verletzungspause gestartet, aber ohne zuvor in jener Saison ein Weltcuprennen bestritten zu haben. Haben Sie dieses Mal ein anderes, ein besseres Gefühl?
Vor zwei Jahren bin ich sogar, was meine Möglichkeit betrifft, positiver gestimmt zur WM gefahren als dieses Mal. Jetzt sehe ich, dass nach vorne noch ein gewisser Abstand ist. Damals hatte ich mir schon zugetraut, gleich wieder vorne mitzufahren, ich hatte ja nur ein paar Monate pausiert. Ich habe in Cortina alles auf eine Karte gesetzt, und da sind mir dann ein paar Fehler passiert. Diese Fehler, sage ich mal, habe ich in dieser Saison schon alle gemacht. Die sollte ich abgespeichert haben und jetzt bei der WM nicht mehr machen.
Sie haben zuletzt gesagt, Sie wollen nicht mehr so sehr auf Ergebnisse schauen, mehr darauf, wieder Spaß zu haben. Gilt das auch für die Weltmeisterschaft?
Ziele setze ich mir keine, ich will einfach schauen, wie wohl ich mich fühle. Es kann sein, dass ich gleich wieder einen guten Grundspeed habe. Die Charakteristik der Strecke muss man erst entschlüsseln. Wenn das gut funktioniert, warum soll ich nicht vorne mitfahren? Aber genauso gut kann es sein, dass ich mich schwertue. Dann brauche ich nicht von mir zu erwarten, dass ich um eine Medaille mitfahre.
Sie haben während Ihrer langen Pause gelernt, geduldig zu sein. Hilft Ihnen das noch oder fällt es jetzt, da Sie endlich wieder Rennen fahren können, sogar schwerer?
Sowohl als auch. So ein Rückschlag wie der in Kitzbühel beschäftigt mich mehr als vor meinen Verletzungen. Vielleicht aufgrund meiner mentalen Situation im vergangenen Jahr oder weil ich schon so lange weg war. Jedenfalls merke ich brutal, dass ich unbedingt Rennen fahren will. Vielleicht war es aber ganz gut, dass das in Kitzbühel so passiert ist. Da habe ich gesehen, dass ich, wenn ich in der einen oder anderen Situation riskiere, trotzdem technisch bei der Sache bleiben muss.
Sie sprechen von Ihrem Ausfall bei der zweiten Abfahrt von Kitzbühel. Wollten Sie da zu viel?
Das würde ich so nicht sagen. Denn wenn man keinen Schritt machen will, dann wird man nicht nach vorne kommen. Und ich will ja wieder nach vorne kommen. Ich habe jetzt einfach gemerkt, dass der Speed wieder da ist. Meine Trainer haben auch gesagt, es sei der richtige Weg, wieder mehr das Risiko zu suchen. In Kitzbühel habe ich es mir zum ersten Mal wieder zugetraut.
Die WM-Abfahrt ist für Sie neu, weil Sie im vergangenen Jahr beim Weltcup-Finale nicht dabei waren. Braucht man auch Geduld bei der Erarbeitung einer neuen Abfahrtsstrecke?
Ich hoffe, dass wir drei Trainingsfahrten haben, so ist es ja auch vorgesehen. Denn jede Trainingsfahrt mehr auf einer neuen Strecke tut mir gut. Natürlich habe ich einen Nachteil, denn diejenigen, die im Finale dabei waren, kennen die Grundcharakteristik der Strecke schon. Aber das muss kein Problem sein. Ich habe mir Videos angeschaut und weiß schon so ungefähr, was mich erwartet. Die letzten Male, als ich auf eine neue Strecke ging, waren bei der WM in Cortina d’Ampezzo und in Saalbach im Jahr davor.
Thomas Dreßen (29) ist Kitzbühel-Sieger von 2018. Lange Verletzungspausen haben ihn immer wieder zurückgeworfen.
Und in Saalbach hatten Sie gewonnen …
Genau, und da hatten wir, glaube ich, nur ein Abfahrtstraining vor dem Rennen.
Was ist ihre Herangehensweise an eine Abfahrtsstrecke?
Ich merke mir keine Linie, sondern präge mir die wichtigen Stellen ein. Ich schaue mir bei Sprüngen an, welche Richtung ich brauche. Und in der Verlängerung dieser Linie suche ich mir für das erste Training einen Baum oder einen Berggipfel als Orientierung. Normalerweise weiß ich nach dem ersten Training, mit wie viel Richtung ich über den Sprung oder die Welle kommen muss. Was zwischen diesen Passagen kommt, ergibt sich dann, es muss sich ergeben. Denn wenn man nur auf Linie fährt, dann hält man den Ski unbewusst zu viel hin. Und das bremst.
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