Jasmin Ramadan Einfach gesagt
: Sexistische Welle

Glaubt ihr, die Frau von Christian ­Lindner wird wegen der RAF-Rote-­Armee-Verwechselung für mäßig intelligent gehalten, weil sie die Frau von Christian Lindner ist?“, fragt die Freundin in der Weinbar um Mitternacht und zieht sich das Lipgloss nach.

„Nee“, sagt der Freund, „das ist, weil die bildschön ist, durch Lindner sticht ihr berufliches Tun nur mehr ins Auge.“

„Ihr glaubt, Frauen, die schön sind, werden pauschal für weniger intelligent gehalten?“

„Auf jeden Fall!“

„Die müssen nur ein-, zweimal ‚äh‘ sagen. Schon denkt man, da ist im Hirn was luftig.“

„Vor allem in Deutschland!“

„Überall!“

„Nee, in Frankreich darf man schön und intelligent sein!“

„In Paris sogar sexy und intelligent!“

„Franca Lehfeldt spielt die Karte aber auch mit Nachdruck aus, guckt mal hier ihr Instagram!“

„Wow, ich will ein Make-up-Tutorial von ihr!“

„Wie die große Schwester von Laura Müller!“

„Wer ist Laura Müller?“

„Die Minderjährige vom Wendler.“

„Inzwischen ist die schon 21 oder so.“

„Seit Wendler für Naziseife warb, schafft sie das Geld ran, über den Nackedei-Kanal Onlyfans!“

„Leute, das geht hier in eine üble Richtung: Lehfeldt ist ja nun kein Betthase, die war auf der RTL-Journalistenschule!“

„Da war Sophia Thomalla auch!“

„Die hat maximal ein Praktikum gemacht.“

„Und moderiert jetzt Shows bei RTL+, bei denen Feminismus noch nicht mal aus der Ferne von hinten vorkommt!“

„Und Lehfeldt macht bei Springer Karriere.“

„Ich guck weder ‚Are You The One?‘, noch Welt-TV!“

„Solltest du aber, man muss den Feind im Blick behalten!“

„Nur weil Frauen politisch anders ticken und aussehen wie Models, sind sie keine schlechten Menschen oder hohl.“

„Ich will aber am liebsten nur noch Frauen im TV sehen, die aussehen wie Theo Koll, selbst wenn sie hohl sind!“

„Oder wie Günther Jauch!“

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Der sieht aus wie ein in die Länge gezogener Frosch!“

„Kerner wie ein Glas ranziger Buttermilch.“

„Plasberg oder Klamroth einfach nach nichts.“

„Solche Frauen gibt es nicht im Primetime-TV!“

„Die machen höchstens Karriere als Schriftstellerinnen oder Politikerinnen!“

„Lehfeldt hat auch ein Buch geschrieben!“

„Alte weise Männer heißt das!“

„Was eine Schleimerin.“

„Meint ihr, Christian hätte eine Chance bei ihr gehabt, wäre er … Krankenpfleger?!“

„Wieso jetzt Krankenpfleger?“

„Ich wollte nicht Müllmann sagen.“

„Männer werden über den Status diskriminiert, Frauen über die Optik.“

„Niemand hält Michel Friedman für hohl, wenn er sich verhaspelt!“

„Du findest Michel Friedman schön?“

„Du nicht?“

„Eher Lanz, aber den jungen; ältere Männer haben oft so eine frustrierte Melancholie.“

„Markus Lanz musste hart viel talken, bis niemand mehr an seine Schönheit gedacht hat!“

„Sandra Maischberger wird im Alter immer schöner.“

„Männer werden über den Status diskriminiert, Frauen über die Optik“

„Anne Will auch!“

„Maybrit Illner immer dünner.“

„Was ist das hier eigentlich für ein Gespräch?“

„Ein sexistisches!“

„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.“

„Und wir haben es mit blütenreinem Sexismus auf den Punkt gebracht: Lehfeldt Intelligenz abzusprechen ist glasklares Beauty-­Shaming!“

„Die Beautys werden es verkraften!“

„Denn am Ende zählt nur ihr Kontostand.“

„Der Markt wird es regeln.“