berliner szenen
: Plaudern ist nicht gewollt

In der Spandauer Dependance der Commerzbank stehen gleich sechs alte Menschen vor der Tür, die den Vorraum mit den Terminals vom Bankinnenraum trennt. Das lange Stehen fällt ihnen zusehends schwer. Eine Frau stützt sich auf ihrem Mann ab, ein Herr auf seinem Rollator.

Als ich nach einer halben Stunde in den Raum darf, meine ich zu dem Bankbeamten: „Sie sind heute aber stark unterbesetzt, oder?“

Er lächelt schief: „Aber, aber. Wir sind hier sehr gut besetzt nach Meinung der Bank. Drei Mitarbeiter auf einmal, so viele gibt es in keiner anderen Filiale.“ Er zwinkert: „Die Menschen können doch alles bequem zu Hause oder an den Terminals erledigen.“

Ich lege die Stirn in Falten: „Alles lässt sich da noch nicht machen. Und was ist mit den ganzen älteren Herrschaften hier?“ Ich deute auf die Menschen hinter mir. „Die kommen doch technisch gar nicht hinterher.“

Der Bankbeamte zuckt mit den Schultern. Mein Blick fällt auf ein Paar, das sich gerade von einem anderen Bankangestellten die Abbuchungen der letzten Monate erklären lässt, und ich denke: Ob sie genauso erleichtert wären, wenn eine automatische Ansagestimme ihnen erklären würde, dass mit ihrem Konto alles stimmt?

Ein paar Stunden später bringt die Sprechstundenhilfe in meiner Zahnarztpraxis das Gefühl, das mich in der Bank beschlichen hat, auf den Punkt, als sie meint: „Dass wir hier gerade so miteinander plaudern, ist ja gar nicht mehr gewollt. Schnell soll alles gehen, viel Geld in wenig Zeit bringen.“

Sie legt den Kopf schief: „Irgendwann gibt es dann Online-Check-ups und die Leute werden nur noch bei Problemen einbestellt. Eine Minute bohren, der Nächste, bitte. Das Zwischenmenschliche fällt mehr und mehr weg. Dabei ist es doch das, was uns alle durch den Tag bringt.“

Eva-Lena Lörzer