Die Jägerin des verblassenden Ruhms

Die Hamburger Filmtouristin Andrea David hat mit „Szene für Szene die Welt entdecken“ ein Buch über ihre Suche nach Drehorten geschrieben. Es ist eine Art Reiseführer

Nah dran am filmhistorischen Ereignis: Hier marschierte einst Tom Hanks als Forrest Gump in seiner Hippie-Phase Foto: Andrea David/Verlag

Von Wilfried Hippen

Die Treppe des „Museum of Art“ in Philadelphia, die Silvester Stallone als Rocky immer wieder rauf und runter rannte. Die Klippe, über die „Thelma & Louise“ mit ihrem Ford Thunderbird in die Schlucht in Utah stürzten. Oder das „Highclere Castle“ in Newbury, England, in dem die TV-Serie „Downton Abbey“ gedreht wurde. Dies sind Orte, die einen Abglanz vom Ruhm jener Filme oder Serien bewahren, die dort gedreht wurden. Es gibt Menschen, die von weit her anreisen, weil sie hoffen, die Aura dieser Orte zu spüren. Die Filmtouristin Andrea David aus Hamburg aber hat dieses Hobby zu ihrem Beruf gemacht.

Für sie begann diese „Leidenschaft für Filmschauplätze“ vor 18 Jahren bei einer Reise durch die schottischen Highlands, wo sie Orte wiedererkannte, die sie in den Filmen „Highlander“ und „Braveheart“ gesehen hatte: „Es war, als ob sich auf magische Weise ein Fenster von der Realität in die Filmwelt öffnet.“ So schildert sie es in ihrem Reisebuch „Szene für Szene die Welt entdecken“. Aber eine naive Touristin ist sie auch damals schon nicht gewesen.

David hat als junge Frau in einem Reisebüro gearbeitet und danach Tourismus studiert. Ihre Abschlussarbeit schrieb sie dann schon über Filmtourismus, obwohl ihre Do­zen­t*in­nen angesichts des damals noch sehr obskur wirkenden Themas sehr skeptisch waren. Sie war schon früh nicht nur Touristin, sondern auch Dienstleisterin.

Auf der Homepage www.filmtourismus.de betreibt sie eine Online-Datenbank, die inzwischen Informationen über internationale Drehorte von mehr als 500 Filmen und Serien umfasst. Im Jahr 2014 begann sie dort auch ihren Reiseblog, dem monatlich über 100.000 Be­su­che­r*in­nen folgen. Inzwischen kann sie von dieser Arbeit leben, wird für Fachveranstaltungen, Workshops und Seminare engagiert und bekommt Provisionen für Buchungen über Partnerlinks. Ihr Markenzeichen sind Fotos, auf denen sie Bilder aus den jeweiligen Filmen so ins Bild hält, dass sie sich passgenau in die von ihr besuchten Dreh­orte einfügen. Da sieht man sie dann zum Beispiel mit einem Standfoto aus der Komödie „Ghostbusters“ vor der Feuerwache des New Yorker Stadtteils Tribeca, wo die entsprechende Einstellung gedreht wurde.

Während Andrea David die Beiträge für den Reiseblog sachlich hält und in vielen Texten ­sogar ganz aufs „Ich“ verzichtet, ist sie in ihrem Buch die Protagonistin, die über ihre eigenen Erlebnisse und Empfindungen berichtet. Wenn sie etwa von ihrem Lieblingsfilm „Zurück in die Zukunft“ erzählt, und davon, wie sie in Los Angeles zu den Dreh­orten pilgert, wird ihre Begeisterung spürbar. Aber sie schreibt auch, dass sie an manchen Orten schon die dritte Film­tou­ris­t*in an diesem Tag gewesen sei. So erfasst sie beiläufig auch immer das Phänomen dieser Leidenschaft. Dass sie auch deren zerstörerischen Aspekt kennt, verrät sie indes nur in einem ­Telefoninterview: So ist der einst einsame Strand in Thailand, an dem Danny ­Boyles „The Beach“ gedreht wurde, heute eine überlaufene Touristenattraktion, und Dubrovnik wird inzwischen von Tagesgästen überströmt, weil dort viele Szenen aus der TV-Serie „Game of Thrones“ gedreht wurden.

Die Filmtourismus-Leidenschaft hat auch zerstörerische Aspekte. Die klammert das Buch allerdings aus

Für solche kritischen Töne hat David in ihrem Buch keine Verwendung gefunden, das eher wie ein Reiseführer daherkommt. Nach jedem ihrer kurzen Texte folgen mehrere Seiten mit Tipps und Wegbeschreibungen: „Über die F864 erreicht man das Westufer mit Wanderweg zur Aussichtsplattform“, schreibt sie etwa über den Dettifoss-Wasserfall in Island, an dem eine Szene von Ridley Scotts „Prometheus“ gedreht wurde.

Zum Schmökern eignet sich das Buch also eher nicht. Und Abenteuer hat David auf ihren Reisen auch keine erlebt. Interessant wird es dagegen dann, wenn Film und Realität einander in die Quere kommen. So besuchte sie einen Friedhof in Bampton, auf dem ein paar Tage zuvor noch für „Downton Abbey“ gedreht worden war – und fand dort einen Grabstein mit Namen zweier Figuren aus der Serie. Also ein perfekter Spoiler.

Andrea David: Szene für Szene die Welt entdecken, Verlag Con Book, 288 S. 19,95 Euro