Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Du kannst es schaffen!

Wo finde ich denn die Lebensmotivationsbücher? Meine Frau wünscht sich so was zum Geburtstag!“, sagt der Mann zur Buchhändlerin. Da schreitet prompt ein Kunde ein:

„Ich warne Sie! Ich hab’meiner so was vor drei Jahren zum Renteneintritt geschenkt und jetzt les’ich meist Kontaktanzeigen!“

„Ihre Frau hat Sie wegen eines Glücksbuchs verlassen?“

„Das war der Einstieg, wie Haschisch, dann ist sie ständig zu diesen Veranstaltungen ­gerannt, über Scherben, glühende Kohlen, weiß der Geier! Da hat man ihr eingetrainert, sie könne alles sein, müsse dafür bloß ihre individuellen Ressourcen rauslassen wie ein Raubtier, dann könne sie höchstselbst ein Gepard sein!“

„Und der Gepard ist vor Ihnen weggerannt?“

„Eher ihr nach außen gekehrter innerer Schweinehund, den sie eigentlich überwinden wollte, stattdessen wurde sie zum Schweinehund auf Heroin!“

„Und der Schweinehund im Gewand Ihrer Frau hat dann mit Ihnen Schluss gemacht?!“

„Schlimmer! Sie begann zu meditieren, denn der Manager muss immer meditieren, haben die da zu 5.000 Leutchen in den Hallen gebrüllt!“

„Aber gegen Meditation ist jetzt pauschal nichts einzuwenden“, sagt die Buchhändlerin mit verschränkten Armen.

„Nö, nur richtete sich das so alles in allem gegen die Ratio und führte zu Plopp-Gedanken, und jeden dieser Gedanken sollte meine Frau für richtig halten, nur aus dem einen Grund, dass es ihr Gedanke war!“

„Na ja, warum sollte Ihre Frau nicht an die Gewichtigkeit eigener Gedanken glauben?!“

„Weil der Quacksalber-Kokolores Höhenflüge verursacht, die im Alltag nirgendwo hinführen, da stürzt das ganze Publikum in seinen Einzelteilen tief hinab, dann merken die Leute, huch, ich bin gar kein schillerndes Irgendwas, sondern nur irgendwer!“

„Und dann ist Ihre Frau mit dem Motivations­trainer durchgebrannt?!“

„Nee, sie wurde immer frustrierter, ist deswegen zu einem Coach, der hat ihr noch die letzten Ersparnisse genommen, ohne die Sucht nach Selbsterhöhung in eine halbwegs kluge Richtung zu lenken!“

„Und dann hat sie Sie verlassen?!“

„Nee, dann fühlte sie sich klein wie eine Bachblüte, war aber noch immer aufgeputscht und besessen von der Idee, was Besonderes sein zu müssen! Und so überkam sie bei ­einer Facebook-Session der Gedanke, es sei was ­Besonderes, Deutsche zu sein!“

„Oh.“

„Oh, oh.“

„Genau, und ich sach es Ihnen, diese kriminelle Motivationswelle seit den 90ern hat ­Pegida, Querdenker, Reichsbürger erwirkt! Den Leuten wurde verkauft, sie müssten alle ihre Gedanken und vor allem sich selbst größenwahnsinnig wichtig nehmen, Euphorie statt Wissen, das ist Faschistische-Grundlagen-Erwachsenenbildung, demokratiegefährdende Geldabknöpferei!“

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Ist Ihre Frau jetzt Reichsbürgerin?“

„Ach, alles, ist in die AfD eingetreten, Reichsbürgerin, Hauptsache selbst gebastelt, ihr Credo ist ihr ungeimpftes Selbst!“

„Und das hat Ihre Beziehung nicht ver­kraftet.“

„Ich hab gesagt: Simone, wenn du in die AfD eintrittst, dann tret’ich aus uns aus!“

„Und was hat sie gesagt?“

„Freiheit für Deutschland.“