wortwechsel: Abpfiff: Kein Freistoß für die Menschenrechte
Argentinien ist Weltmeister, Katar noch reicher, der Fußball noch korrupter – und die Menschenrechte haben immer noch keine Chance im Wüstenstaat. Ist doch nur Fußball?
„Vielstimmiger Stolz“, taz vom 14. 12. 22
Marokko in den Medien
Liebe MitarbeiterInnen der taz, eine der Besonderheiten dieser WM ist die „nicht positive“ mediale Berichterstattung über zwei Hauptakteure: Katar und Marokko. Bis zu dem Punkt, dass manche Medien behauptet haben, die marokkanischen Spieler hätten was mit Terrorismus zu tun, wegen einer Geste, die fast jede*r Sportler*in macht, sogar deutsche Spieler*innen. Solche Medien radikalisieren nicht nur Deutsche, in dem sie indirekt nahelegen, dass Erfolg von Araber*innen oder Muslim*innen gleichzusetzen ist mit Erfolg des Terrors und dass ein*e Araber*in oder Muslim*in zu sein fast bedingen würde, Terrorist*innen zu unterstützen und damit Xenophobie und Islamophobie voranzutreiben, sondern sie radikalisieren auch viele Migrant*innen! Die marokkanische Mannschaft stand nicht nur für Marokko, sondern für die muslimische, afrikanische und arabische Welt. Das Thema kocht momentan bei all meinen Freund*innen mit ausländischen Wurzeln hoch und in den sozialen Medien: „Die Deutschen wollen uns klein halten“ – „Sie werden uns nie akzeptieren“ – „Arbeitet nur so wenig, wie ihr müsst, damit Deutschland nicht profitiert“. Ich mache mir große Sorgen über das Zusammenleben der ethnischen Gruppen in Deutschland und schreibe Ihnen in der Hoffnung, dass dieses Thema aus einer anderen Perspektive beleuchtet wird. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn sie dieses Thema aufgreifen würden. Name ist der Redaktion bekannt
„Nationalstolz“
Ich habe bei den Spielen der marokkanischen Mannschaft daran denken müssen, dass vor 100 Jahren Spanien und Frankreich in den Bergen Marokkos 500 Tonnen Giftgas die Täler haben herabfließen lassen, um den Widerstand der um Selbstständigkeit kämpfenden Berber zu brechen – Giftgas, das mit der im Weltkrieg entwickelten Technik von einem deutschen Ingenieur in Marokko produziert wurde. Auch dieses Geschehen wird in den Erinnerungen der nordafrikanischen, muslimischen Einwohner präsent bleiben. Friedemann Ungerer, Anklam
Es freut mich megamäßig, dass „nationalstolze“ beziehungsweise imperialistische Länder gedemütigt wurden von Außenseitern: Deutschland flog zum zweiten Mal raus (diesmal wegen Japan). Belgien verlor gegen Marokko. Und das machtgeile Katar ist auch ausgeschieden. Schade um die teuren Rolex-Geschenke. Jemand kann ruhig Fußball spielen und Vereinsfan sein. Aber wie kann man bloß nationaler Fußballfan sein?! Rainer Kewitz, Erzhausen
One-Love-Blabla?
Liebe Männer, die ihr nach wie vor alles entscheidet und jetzt hättet einmal beweisen können, dass ihr nicht nur öffentlichkeitswirksames Blabla nachplappert, weil es schick ist, sich mit „Menschenrechten“ und dem sehr en voguen LGBTQIA+-Kram zu schmücken, weil man ach so woke ist, sondern dass ihr diese Werte verinnerlicht habt und wirklich für sie einstehen wollt. Dass das Quark war, war eigentlich klar, denn nach wie vor geht es im deutschen und internationalen Fußball um reines Testosteronversprühen – kein Wunder, dass sich im ach so aufgeklärten und freien Europa kein Fußballer traut, sich zu outen, dem ernsthaft etwas an seiner Karriere liegt. Katar ist böse und gemein zu allen, die nicht aussehen oder sich verhalten wie die männliche Mehrheitsgesellschaft, aber wir sind ja so viel besser. Nein, sind wir nicht. Ja, es muss niemand mehr ins Gefängnis für seine Homosexualität, aber die Übergriffe auf Menschen aus dem LGBTQIA+-Bereich nehmen stetig zu und Menschen sterben nach Gewaltaktionen gegen sie, hier in Deutschland.
Annika Heutensleben, Bremen
Angst vor gelber Karte?
„Unsere Protestnoten für das WM-Zeugnis“, wochentaz vom 10. 12. 22
Nancy Faeser, unsere Innen- und Sportministerin, schaute sich das erste Spiel der Deutschen Nationalelf in Katar an. Am linken Arm trug sie die One-Love-Binde. Dabei saß sie in unmittelbarer Nähe der hochrangigen FIFA- und DFB-Offiziellen und der Scheichs. Danke, Frau Faeser, dass Sie nicht aus Angst vor einer gelben Karte, vor Punkteabzug oder vorzeitiger Heimreise einknickten und ein starkes Signal für Menschenrechte sandten!
Achim Bothmann, Hannover
Wer die WM in Katar verfolgte, verweigert sich der Einsicht, wie viele Tote es forderte, um die Infrastruktur eines menschenverachtenden Systems FIFA zu ermöglichen. WM-Fußball – ein Traumziel für viele jungen Menschen. Doch wer die Tragweite dieser Abscheulichkeit erkennen mag, wird sich mit Grauen abwenden. Sylvia Eller, München
„Messi wird Messias“, taz vom 18. 12. 22
Einen quasi zum Gott zu erheben, nur weil er eine Inselbegabung hat, gut mit dem Ball am Fuß umgehen kann? Und sonst? War da nicht noch was? Steuerhinterziehung? Verurteilt zu 21 Monaten Gefängnis … Spinus auf taz.de
Aus dem Gedächtnis zitiert, sagte Messi: wir sind ein armes Land mit vielen Problemen und wir spielen für unser Land.
D.H. Beckmann auf taz.de
Widersprüche bleiben
„Das Runde im eckigen Leben“,
taz vom 16. 12. 22
Ich bin beim Endspiel hängengeblieben, weil das einfach packend war. Am Ende wurde bei der Übergabe von Medaillen vom Emir an die Enspielreferees der einzigen Schiedsrichterin nicht die Hand geschüttelt. Das hat mich wieder auf den Boden der Tatsache gebracht.
Resto auf taz.de
Kleine Denksportaufgabe für die Fußball-Redaktionen: Hätte Japan einmal vorbei statt ins Tor geschossen (gegen Deutschland oder Spanien), wäre Deutschland weiter gewesen – und alle Analysen wären falsch. Name ist der Redaktion bekannt
Ich denke, mit der Auflösung der Widersprüche ist im Moment jeder überfordert – der Fußball sowieso. Markus Michaelis
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