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Vom Schädling zum Hoffnungsträger

Viele nutzen Holzkohle zum Kochen. Dafür werden gute Bäume geschlagen. Ein Jungunternehmer hat eine Alternative gefunden

Guuleed Ahmed mit Schoten des Prosopis-Baums

In Somaliland sind sie überall. Die Prosopis-Bäume wachsen an Straßenrändern, wuchern Routen zu, über die Viehhirten einst mit ihren Tieren gezogen sind, und sind besonders häufig an Wasserstellen anzutreffen. Die gleichmäßigen und filigranen Blätter im hellen Grün täuschen darüber hinweg, dass das ursprünglich aus Mexiko stammende Gewächs lange und spitze Dornen hat und zu einer echten Plage geworden ist: Die kräftigen Wurzeln graben sich bis zu 30 Meter tief in die Erde, die Tiere verbreiten sie unfreiwillig. Sie fressen die süßen Schoten und scheiden die keimfähige Samenschale wieder aus. So werden heimische Pflanzen verdrängt.

Nach Informationen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurde Prosopis nach dem äthiopisch-somalischen Krieg in den 1980er Jahren am Horn von Afrika angepflanzt, um die Region wieder aufzuforsten. Die gut gemeinte Idee wurde ein Reinfall, und heute hat die Pflanze alleine in Somaliland mindestens 550.000 Hektar – einst wertvolle Weideflächen – überzogen. In Äthiopien und Kenia sind die Flächen doppelt so groß. Die Bäume zu schlagen, hilft ebenso wenig wie das Ausgraben der Wurzeln. Die invasive Pflanze kommt schnell zurück.

Die einzige Möglichkeit, die Ausbreitung einzudämmen, ist die Nutzung von Prosopis. Daran tüftelt am Rand der Hauptstadt Hargeisa Guuleed Ahmed. 22 Jahre hat er in Deutschland gelebt, war Profi-Basketballer und studierte in Oxford und Cambridge Wirtschaftswissenschaften. Seine Heimat kannte er nicht, bis sein Vater ihn aufforderte, zurück nach Somaliland zu gehen. Jobs gab es nicht, weshalb er sich selbst einen schaffen musste.

Ahmeds Zukunft heißt Prosopis. Auf dem Gelände seiner Firma Lander Prosopis hat er ein Lagerhaus bauen lassen, in dem er mehrere Tonnen der Schoten – sie sind etwa fingerlang und leicht gebogen – lagert. Wer im Viertel Geld braucht, sammelt sie säckeweise ein und erhält für sieben bis acht Kilo 60 Cent. „Armutsbekämpfung“, nennt es Ahmed. Bäume würden durchschnittlich zweimal im Jahr tragen.

Ahmed lässt die süßen Schoten zu Viehfutter verarbeiten, 100 Gramm hätten einen Proteingehalt von 35 Prozent, sagt er. Futter – vor allem gehaltvolles – ist aufgrund vorn Dürren und schwindender Vegetation Mangelware. Auch müsse es, so Ahmed, im Nachbarland Äthiopien gekauft werden, da es keine lokale Produktion gebe.

Auch für sein nächstes Projekt hat Ahmed viel ausprobiert: die Verarbeitung der Zweige und Äste zu Holzkohle. „80 Prozent der Entwaldung fand in Somaliland in den vergangenen 30 Jahren statt. 90 Prozent der Bevölkerung nutzt Holzkohle, weil sie sich nichts anderes leisten kann. Wenn dafür gute Bäume gefällt werden, bleibt nur Prosopis.“ Dass Prosopis bisher nicht genutzt wurde, liegt am tiefen Misstrauen gegenüber dem Gewächs und an der Notwendigkeit, dass man eine Kettensäge braucht. Der Jungunternehmer besitzt sie und auch die Genehmigung zum Fällen der Bäume.

Die Wurzeln des Prosopis-Baums graben sich bis zu 30 Meter ein

Ahmed hat dafür einen riesigen schwarzen Ofen angeschafft. In 24 Stunden können 1,5 Tonnen Holzkohle hergestellt werden, sagt er. Die lokale Produktion, für die üblicherweise Löcher in den Boden gegraben werden, würde sonst mehrere Tage dauern. Das Ergebnis sei mager und der Brennwert gering.

Jetzt gilt es allerdings, auch Kon­su­men­t.in­nen zu überzeugen. Die ersten sieben Produktionen sind kostenfrei vor allem an Restaurants verteilt worden. „Sie haben es gut angenommen und brauchen nur die halbe Menge“, sagt Ahmed. Interessant könnte auch ein weiteres Geschäftsmodell werden: die Lieferung der Prosopis-Holzkohle direkt nach Hause. Katrin Gänsler

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