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: Vergebliche Wurzelbehandlung

Demonstranten appellieren am Geburtsort von Gianni Infantino an seine Gastarbeiterehre

Seit Januar wohnt Gianni Infantino nun schon in Doha. Böse Zungen behaupten zwar, Ermittlungen in der Schweiz hätten den Fifa-Chef erst zu einem Weltbürger gemacht, der das auch per Adresse nachweisen kann. Aber derlei fiese Neckereien können dem 52-Jährigen nichts anhaben. Früher in seinem Waliser Bergdorf in Brig hat er schon ganz andere Sachen erleben müssen. Bei der Auftaktpressekonferenz zur WM hat Infantino Einblicke in seine schwere Kindheit gewährt. Als er als Gastarbeiterkind wegen seiner schlechten Sprachkenntnisse, roten Haare und Sommersprossen gehänselt wurde.

An die Wurzeln von Infantinos Werdegang wollten am Mittwoch auch die Aktivisten der Nichtregierungsorganisation Avaaz gehen. Sie demonstrierten am Geburtsort des höchsten Fußballfunktionärs in Brig, um die Fifa endlich dazu zu bewegen, einen Fonds einzurichten zur Entschädigung von Arbeitern, die auf den Baustellen der WM in Katar gearbeitet haben. Tausende seien gestorben und ausgebeutet worden. Auf hochgehaltenen Schildern standen Sätze wie: „Infantino: Ihre Familie waren Migranten“ oder „Tausende von Migranten wie Sie sind Opfer dieser Weltmeisterschaft geworden“.

Erinnert wurde auch an die voraussichtlichen Einnahmen von 7,5 Milliarden US-Dollar, welche die Fifa aus diesem Turnier abschöpft und von denen nur ein Bruchteil diesen Fonds ausreichend füllen könnte.

Und die Aktivisten von Avaaz wiesen noch einmal explizit auf diese Heuchelei Infantinos am Vortag der WM hin, als er seine Gastarbeiterseelenverwandtschaft so herzergreifend zur Schau trug. Raffiniert war das allerdings auch von Gianni Infantino. Bevor ihm jemand seine Vergangenheit vorhalten konnte, machte er sie sich selbst in seinem Sinne zunutze. Und zu fassen bekommt man diesen Mann sowieso nicht. Schon gar nicht über seine Herkunft und vermeintliche Identität.

Infantino ist flexibel, auch das hat er bei der aufsehenerregenden Pressekonferenz hinterlegt. Er bekannte, er fühle sich als Katarer, als Araber, als Afrikaner, als Schwuler, als Behinderter, als Wanderarbeiter. Und auf Nachfrage räumte er ein, er fühle auch als Frau. Ohne zu fragen, ahnt man schon, dass er mittlerweile auch fühlt wie jemand, der in Doha geboren ist. Da können sie in Brig so lange vor seinem Familienhaus demonstrieren, wie sie wollen. Johannes Kopp