Bremer „Arisierungs“-Mahnmal : Der Bau hat begonnen

Bremer Logistikfirmen spielten eine besondere Rolle beim Abtransport geraubten jüdischen Eigentums in der NS-Zeit. Nun wird ein Mahnmal gebaut.

Eine Skizze des Bremer "Arisierungs"-Mahnmals

Skizze des Mahnmals: Die Sichtschächte zeigen leeren Raum oder Schattenrisse von Gegenständen Foto: Skizze: Evin Oettingshausen

HAMBURG taz | 2015 startete die taz die Crowdfunding-Kampagne „4qm Wahrheit“ und sammelte 27.003 Euro, um vier Quadratmeter Boden vor der Firmenzentrale von Kühne und Nagel (K+N) in Bremen zu kaufen – als Standort für ein Mahnmal. Der Bau begann vergangene Woche und soll laut Senat innerhalb von fünf Monaten fertiggestellt werden.

Das Mahnmal soll unter anderem an die „Aktion M“ erinnern, so wurde im Nationalsozialismus der Abtransport jüdischen Eigentums durch Spediteure bezeichnet. Wie die taz berichtete, wurde Bremen hierbei eine besondere Rolle zuteil. Dies lag unter anderem daran, dass in Bremerhaven massenhaft jüdische Menschen zur Auswanderung gezwungen wurden.

Zudem beheimatet die Hansestadt zahlreiche Logistikunternehmen. Gerade der mehrmals als „NS-Musterbetrieb“ ausgezeichnete Spediteur K+N, heute weltweit der drittgrößte, hatte mit dem Abtransport beschlagnahmter Möbel in Westeuropa eine Quasi-Monopolstellung inne. Das Unternehmen habe mittlerweile ein paar Aspekte eingeräumt, aber eine klare Haltung zur eigenen unterstützenden Rolle des nationalsozialistischen Systems fehle bis heute, sagte Henning Bleyl, Initiator des „Arisierungs“-Mahnmals, der taz.

Auf Grund mangelnden Willens, die eigenen Verstrickungen in die NS-Verbrechen aufzuarbeiten, versuchte Bleyl seit 2015, das Mahnmal in unmittelbarer Nähe der Bremer Firmenzentrale von K+N bauen zu lassen. Mit Erfolg: Zwischen Tiefer und Wilhelm-Kaisen-Brücke an den Weser Arkaden, in Sichtweite der K+N-Zentrale, wird nun Platz geschaffen für das künstlerische Werk von Evin Oettingshausen.

Kühne und Nagel-Zentrale in Sichtweite

Dieses besteht laut Pressemitteilung von Bleyl und Oettingshausen aus zwei rechtwinklig aufeinander treffenden Sichtschächten. Wer oberhalb vorbeiläuft, könne lediglich leeren Raum in den Schächten sehen, die das Vergessen von Geschichte symbolisiere. Wer die Treppe nach unten nimmt, könne hingegen von der Seite her Schattenrisse ehemals vorhandener Einrichtungsgegenstände entdecken. Oettingshausen möchte diese räumliche Anordnung als „Einladung für eine Perspektiverweiterung“ verstanden wissen.

Finanziert werden solle der Bau laut Beschluss der Bremischen Bürgerschaft von allen, die sich an der Verfolgung jüdischer Menschen bereicherten. Hierzu zählten neben Unternehmen auch private Haushalte oder öffentliche Institutionen wie das Bremer Finanzamt, wie es in einer Pressemitteilung der Bürgerschaftsfraktion der Grünen heißt.

Innerhalb von zehn Tagen seien nach einem Spendenaufruf über 60.000 Euro aus der Zivilgesellschaft zusammengekommen, so Bleyl und Oettingshausen. Insgesamt benötige der Bau des Mahnmals jedoch aufgrund gestiegener Preise für Baumaterialien 548.000 Euro statt der ursprünglich angenommenen 476.000 Euro, sagt Werner Wick, Pressesprecher beim Senator für Kultur. Mit dem Verein Bremer Spediteure stehe man in Kontakt und habe eine finanzielle Unterstützung von Seiten der Unternehmen zugesichert bekommen. Unklar ist bis jetzt, wie hoch diese ausfallen wird.

Kai Wargalla, kul­tur­po­li­ti­sche*r Spre­che­r*in der Bremer Grünen, findet fordernde Worte: „Jetzt muss die Bremer Logistikwirtschaft zu ihrer Verantwortung stehen. Gemeinsam haben wir die Verpflichtung, dauerhaft an das Geschehene zu erinnern, damit solche Verbrechen nie wieder passieren.“

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