Ulrike Winkelmann Ernsthaft?
: Der Klimakampf ist ein Kampf um Lebenschancen, also um Gerechtigkeit

Foto: Jörn Neumann

Unser Gesprächsgast wurde erkennbar ungeduldig. Die Klimaökonomin Claudia Kemfert saß am Dienstag im taz Talk mit meiner Co-Chefredakteurin Barbara Junge und mir. Wir werteten die Klimakonferenz aus, die am vergangenen Wochenende so überaus enttäuschend zu Ende gegangen war. Und obwohl Frau Kemfert eine pädagogisch hochmotivierte Person ist, wies sie doch mehrfach darauf hin, dass sie viele Dinge wirklich schon oft gesagt habe. So wie, sagte sie sinngemäß, übrigens alle Klima-Befassten schon lange in ewigen Schleifen vortrügen, was zu geschehen habe, um den Planeten bewohnbar zu halten.

Dann stellte ich die Frage, ob es denn für ein Fortkommen in dieser Sache nicht auch China brauche, das sich auf der Klimakonferenz in Scharm al-Scheich aber quergestellt habe. Da sagte Frau Kemfert, ihre Brille zurechtrückend: „Ja, das Argument höre ich jetzt tatsächlich seit 18 Jahren, es ist wirklich Wahnsinn.“ Einmal abgesehen davon, dass ich kurz bemüht war, das nicht persönlich zu nehmen, hatte sie natürlich recht. Ganz unabhängig davon, was China klimapolitisch unternimmt: Es ist im Wortsinne fatal, wie sehr sich die Klimadebatte im Kreis dreht.

Schon die Berichterstattung von der Klimakonferenz selbst litt unter dem Murmeltiertag-Syndrom. Die NDR-Show „extra 3“ brachte in einem satirischen Zweiminüter ziemlich gut zur Geltung, wie sich die Ereignisse wiederholen: Ein Reporter berichtet im genervtesten aller Tonfälle von der allkonferenzlich mangelnden Handlungsbereitschaft der Industriestaaten, von der Enttäuschung der NGOs – „ist ja eh immer alles dasselbe“.

Witzig war das wiederum nicht, nur bitter. Die wichtigste Frage dieses Jahrhunderts – und wir denken darüber nach, wie wir uns damit nicht langweilen. Klingt nach Themenstellung fürs Journalistik-Seminar – ist aber kein First World Problem, sondern ein Whole World Problem. Solange es auf die Mehrheiten in demokratischen Staaten ankommt, spielt das Haushalten mit der öffentlichen Aufmerksamkeit eine herausragende Rolle im Kampf gegen die fossile Lobby.

Ulrike Winkelmann ist Chefredakteurin der taz.

Dabei es geht nicht darum, die üblichen Allesverbrenner aus dem Christian-Lindner- und Friedrich-Merz-Camp vor Klima-Ennui zu bewahren. Den werden sie immer vorschützen, um sich den Argumenten für Tempolimit et cetera nicht beugen zu müssen. Vielmehr geht es darum, die Handlungsbereitschaft der anderen, der Besserwollenden, zu sichern. Das ist schwierig genug.

Ich finde ja, es lohnt sich, mit schlechten Gefühlen zu arbeiten und Schuldige zu finden. Das mag der Debatte die edle „Wir alle in einem Boot“-Note nehmen, hat aber den Vorteil, dass Schwung hineinkommt: Wie genau haben Ölkonzerne verhindert, dass über den Klimawandel geredet wurde? Welche Politiker hat RWE in NRW eingekauft, um so lange wie möglich mit Kohle Geld zu verdienen?

Auch die Letzte Generation, die derzeit für regelrechte Hysterie sorgt, ist meiner Ansicht nach nicht von quasireligiösen Endzeitvorstellungen beseelt, wie so gern unterstellt wird. Treiber scheint mir eher die sehr irdische Wut über den Machtmissbrauch der Eure-Zukunft-ist-uns-egal-Truppen in Politik, Wirtschaft und anderswo zu sein.

Die Wut über die Eure-Zukunft-ist-uns-egal-Truppen ist sehr irdisch

Im Kern wäre auch der Klimakampf dann ein Kampf um Lebenschancen, also um Gerechtigkeit. Das schmälert den Einsatz für den Planeten nicht. Es hebt aber den immer schon falschen Widerspruch Klimathemen versus Gerechtigkeitsthemen auf. Der Satz „Das ist ungerecht“ hat noch meistens für Dynamik gesorgt – und sei es nur, weil jemand fürchtet, ihm werde etwas weggenommen. Zur Vertreibung der Langeweile reicht das.