piwik no script img

Reservierung im Gasthaus„Aber das steht im Internet“

Finden sich einmal Öffnungszeiten auf einer Webseite, ist das in Stein gemeißelt. Als Gastwirt kann man davon ein Lied singen.

Früher war alles besser, da haben die Gäste sich nicht im Internet verirrt Foto: Tobias Veser/imagebroker/imago

E in beliebiger Mittwoch im Leben eines Gastwirts. Das Telefon klingelt.

„Gasthaus zum Schwan. Kabisch. Hallo.“

„Hallo, Herr Krauss. Hier Singelstein aus Oberlaimbach. Wir kommen morgen Mittag zu Ihnen zum Essen, zwei Personen um 12 Uhr. Sie haben doch was frei?“

„Frei schon, aber nicht offen. Wir haben kein Mittagsgeschäft mehr. Und ich heiße auch nicht Krauss.“

„Aber das steht im Internet.“

„Das kann schon sein, ist aber falsch.“

„Und was machen wir jetzt?“

„Keine Ahnung. Gut ist doch: Sie haben angerufen. Sonst wären Sie morgen umsonst hierher gekommen.“

„Heißt das jetzt: Wir bekommen nichts zu essen?“

„Genau. Wir haben zu.“

„Aber im Internet steht was anderes.“

„Hören Sie mal: Sie sprechen mit dem Wirt. Glauben Sie mir nicht?“

„Im Internet steht eben was anderes.“

„Dann sagen Sie mir mal, in welchem Internet?“

„Wie? In welchem Internet?“

„Wenn Sie zum Beispiel auf unserer Webseite wären, würden Sie die exakten Öffnungszeiten finden. Was haben Sie gerade offen?“

„Na, das Internet.“

„Okay, aber mit welcher URL?“

„Uhährähl?“

„Sie müssen sich doch irgendwo hin geklickt haben. Schauen Sie mal nach oben auf dem Bildschirm, da gibt es eine Zeile …“

„Nö …“

„Doch. Da steht eine Internetadresse, vielleicht noch mit www am Anfang?“

„Warten Sie, ich frag die Frau. Sonja, welches Internet haben wir offen? Der Mann redet was von Weweweh und Uhährähr …“

Sonja: „Wie? Welches Internet?“

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„So kommen wir nicht weiter. Möchten Sie wissen, wann Sie bei uns zum Essen kommen können?“

„Im Internet steht, morgen.“

„Ja, abends. Und außer am Donnerstag noch am Freitag- und Samstagabend. Sie bekommen ein 4-Gänge-Menü …“

„Das geht nicht.“

„Was geht nicht?“

„Wenn ich abends viel esse, kann ich nicht schlafen.“

„Dann tut es mir leid.“

„Und jetzt?“

„Sie könnten im Internet ein Gasthaus suchen, das mittags offen hat.“

„In welchem Internet? Da steht doch alles falsch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jörn Kabisch
Autor
Wirt & Autor für taz und FuturZwei
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Nun ja, wer auf den großen Suchmaschinen ein Gasthaus sucht, bekommt zuerst Informationen von der Suchmaschine, meist Google oder Bing, selbst, bevor in den weiteren Suchergebnissen vielleicht die «richtige» Webseite, eingebettet zwischen Portalen wie Tripadvisor, Gelbe Seiten, u.ä. zu finden ist. Neben der Pflege der eigenen Webseite sollte es auch für Gastwirte inzwischen selbstverständlich sein, ihre Kontaktdaten und Öffnungszeiten auch an den anderen genannten Stellen regelmässig zu aktualisieren.

  • Tja, ich weiß es doch seit langem ... Ein guter Wirt ist immer auch ein guter Therapeut ...

    im Handwerk und bei anderen Dienstleistern sieht es aber auch nicht besser aus