Eishalle in der Energiekrise: Aufs Verzichten verzichten
Wegen der Energiekrise sollte in Bremen im Winter auf eine zweite Eishalle verzichtet werden. Eigentlich. Es kam dann doch anders.
Also, halten wir fest: Auf dem Land wird, um Energie zu sparen, auf eine Infrastruktur verzichtet, die ermöglicht, dass Leute schwimmen lernen und die DLRG trainieren kann, also etwas, was im Zweifel echt Leben rettet. Und nun schauen wir nach Bremen. Energiesparen hatten sie sich da auch vorgenommen. Im August hatte der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sogar gesagt, die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine habe „das gleiche Potenzial, unseren Alltag zu verändern, wie die Coronakrise“.
Und in der Tat: Zwischen 0 und 6 Uhr werden touristisch wertvolle Bauwerke – Rathaus, Roland, Böttcherstraße – nicht mehr angestrahlt. In dieser Sparideenvielfalt ragte die etwas später angekündigte Einzelmaßnahme heraus, die zweite Halle des Paradice, die Schlittschuh-Sporteinrichtung des kommunalen Bäderbetreibers, diesen Winter nicht zu nutzen.
Sinnig: Finanziell hätte man Minderausgaben von 411.000 Euro gehabt, die sich prima dafür einsetzen ließen, die Umrüstung auf nachhaltige Synthetikeisflächen (ja, die gibt’s) zu planen. Denn ohne die bleibt Eislaufen ein echter Klimakiller: Das Vereisen allein jener zweiten Paradice-Halle verbraucht in einem halben Jahr 0,61 Gigawattstunden. Weil man aber in solchen Einrichtungen auch gegen die eigens erzeugte Kälte etwas tun muss, sonst werden die Knicklicht-Party und die Flirtdisco ein Reinfall, kommen noch 0,9 Gigawatt für Wärme hinzu: Macht zusammen eine Einsparung von genug Energie, um 500 Zweipersonenhaushalte ein Jahr lang zu versorgen, also mindestens ein Dorf im Wangerland. So geht effizientes Sparen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Oder eben nicht. Denn, kaum hatte der Bäderbetrieb den Plan verkündet, sagten ein paar Eissportvereine och menno!, und da hatten sie natürlich auch wieder recht.
Also haben Sportsenatorin Anja Stahmann und ihr Staatsrat, die als Grüne prinzipiell ja schon für Energiesparen wären, mal lieber aufs Verzichten verzichtet. Alte Gewohnheiten aufzugeben, mag zwar klug sein. Es ist aber unpopulär. Und mit traurigen Eisläufer*innen kann man auch keine Wahlen gewinnen. Im Vorfeld der Bürgerschaftswahl im Mai hat deshalb das Superschuldenland Bremen, um umweltpolitisch auch ohne Verzicht aktiv zu wirken, beschlossen, für einen Klimafonds Kredite aufzunehmen, als gäbe es kein Morgen mehr.
Gibt’s ja vielleicht auch nicht. Wenn in 20 Jahren dank Klimakatastrophe die Nordsee angefangen haben wird, das Wangerland wegzulecken, wird jemand die Frage stellen: Wie konntet ihr das zulassen? Ihr wusstet doch, was nötig ist! Wie konntet ihr mit euren grünen und sozialen Regierungen alles blockieren, was den CO2-Abdruck eurer Lebensweise drastisch gesenkt hätte?
Dann wird man sagen: Schau dir mal Bremen an, die Sache mit der zweiten Eishalle im Herbst 2022. Damals, als wegen des Ukrainekriegs alle noch mehr Energie hätten sparen wollen. So, wie das da im Kleinen schiefgegangen ist, so war es überall sonst auch, im Großen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Menschenrechtslage im Iran
Forderung nach Abschiebestopp