Auf den Gebeinen von Ahnen erbaut

Am Gropius Bau gibt es eine neue Stele über die Verstrickung des Völkerkundemuseums mit dem Kolonialismus

Schade, dass die neue Stele nicht vorm Humboldt Forum steht

von Susanne Messmer

Am Anfang, sagt die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, befanden sich 3.361 Objekte aus Afrika in diesem Bau. Als die deutsche Kolonialzeit mit dem ersten Weltkrieg zu Ende ging, waren es 60.172. „Ich denke, dass mein Fach, die Kunstgeschichte, mit den Füßen studiert werden soll“, fügt sie am späten Mittwochnachmittag auf dem Parkplatz vorm Gropius Bau an.

Hier wurde 1880 der Grundstein für das Königliche Völkerkundemuseum Berlin gelegt – der protzige Prachtbau wurde im Zweiten Weltkrieg so zerstört, dass die Reste 1960 abgerissen wurden. „Wenn man an dieser Ecke steht, wo dieses Museum stand, versteht man, wie mächtig es war“, so Savoy, die eine der wichtigsten Beschleunigerinnen der Restitutionsdebatte ist. Das Gebäude wurde genau in jenem Jahr erdacht, als ein paar Schritte von hier die so genannte Berliner Afrika-Konferenz stattfand, erklärt sie. Diese gilt als Beginn der Aufteilung des afrikanischen Kontinents.

Insofern ist es ein tolles Zeichen, dass nun eine neue Stele eingeweiht wird, auf der es um die kolonialistische Verstrickung des Völkerkundemuseums geht, das inzwischen Ethnologisches Museum heißt und sich bis heute nur zögerlich von seinen „Schätzen“ trennt, die im zweieinhalb Kilometer entfernten Humboldt Forum ausgestellt sind. „Diese Gedenktafel offenbart, dass sich die gewaltsame deutsche Kolonialgeschichte auch direkt im Herzen unseres Bezirks entfaltet hat“, sagt die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne), bei der Einweihung. Die etwa 50 Menschen, die trotz der nassen Kälte gekommen sind, applaudieren beschwingt.

Die Stele, die auf Initiative des Bezirksamts und in Zusammenarbeit mit Berlin Postkolonial e. V. entstanden ist, ergänzt eine ältere Stele aus dem Jahr 2009 direkt daneben, die noch die Leistungen des Gründers des Völkerkundemuseums Adolf Bastian rühmt. Er habe „unermüdlich für die Vermehrung der Sammlungen“ gekämpft, heißt es auf dieser. Da schlägt die neue Stele ganz andere Töne an. „Die Herkunft der Objekte“, die an diesem Ort gesammelt und ausgestellt wurden, „war höchst problematisch“, heißt es da. Auch wird erwähnt, dass sich Direktorialassistent Felix von Luschan „Gebeine aus allen Weltteilen und aus deutschen Kolonien in Afrika und Ozeanien schicken ließ, darunter auch von Opfern des deutschen Völkermords an schätzungsweise 80 Prozent der OvaHerero und 50 Prozent der Namas.“

Auf das Thema der Rückgabe so genannter Human Remains fokussiert denn auch Christian Kopp von Berlin Postkolonial. „Dieses Gebäude ist auf Überresten von Ahnen aus aller Welt gebaut“, sagt er. „Hier wurden jährlich Gebeine von 500 Verstorbenen hergebracht. In den letzten zehn Jahren wurden kaum mehr als 500 zurückgebracht.“

Schade, dass die Stele nicht vorm Humboldt Forum steht. Dort haben sie heute stattdessen ein altindisches Tor aufgestellt.