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Chinas langer Arm auf den Weltmeeren

Die staatliche Reederei Cosco hat einen spektakulären Aufstieg hingelegt. Die Investition in Hamburg ist politisch motiviert

Was in Shanghai coronabedingt nicht geht, geht vielleicht in Hamburg: Cosco-Schiff, April 2022   Foto: cnsphoto via reuters

Aus Peking Fabian Kretschmer

Wer die Macht der chinesischen Cosco-Reederei begreifen möchte, sollte deren Firmenzentrale besichtigen: Nur einen Steinwurf vom Pekinger Regierungsviertel Zhongnanhai entfernt, schmiegt sich der halbkreisförmige Glasbau an die Fuxingmen-Prachtstraße. Am obersten der 15 Stockwerke prangt das Logo des Logistikkonzerns direkt gegenüber der chinesischen Zentralbank. Wer hier das Sagen hat, daran besteht auch architektonisch kein Zweifel: Gleich drei riesige chinesische Staatsflaggen flattern vorm Firmeneingang.

Die geplante Beteiligung der Chinesen am Hamburger Hafen erhitzt nicht nur die Politik, sondern auch die Gemüter. Einige Fragen bleiben in der emotional aufgeladenen Debatte meist un­be­ant­wor­tet:­ Wer genau ist der Pekinger Investor, der sich in den letzten Jahren systematisch in europäische Hafen eingekauft hat? Und welche Strategie verfolgt die chinesische Regierung mit ihrer Expansionsstrategie?

2016 ist Cosco-Shipping als Fusion zweier staatlicher Konzerne zur weltweit drittgrößten Containerschiff-Reederei aufgestiegen, man betreibt eine globale Flotte von rund 1.400 Schiffen. Allein im September hat Cosco 15 Frachter im Wert von umgerechnet fast 3 Milliarden Euro in Auftrag gegeben. Zur Hansestadt Hamburg unterhält das Unternehmen seit Längerem gute Beziehungen, unter anderem hat man die Europa-Zentrale dort angesiedelt.

In den letzten Jahren hat Cosco in rasantem Tempo seine Präsenz in Europas Logistiknetzwerk ausgeweitet: Der Konzern sicherte sich im Jahr 2016 Mehrheitsanteile von 51 Prozent am Athener Hafen Piräus und kontrolliert über ein Investment der spanischen Hafengesellschaft Noatum auch die Häfen von Bilbao und Valencia. Global haben sie in über 50 Containerhäfen investiert. „Die Vision von Cosco Shipping besteht darin, die Mission der Globalisierung der chinesischen Wirtschaft zu erfüllen“, heißt es auf der Cosco-Homepage.

Dies ist wichtig zu verstehen, denn Cosco ist in staatlicher Hand. Das bedeutet: Es verfolgt an allererster Stelle die Interessen der chinesischen Regierung, und in den gehobenen Positionen beschäftigt es ausschließlich Mitglieder der Kommunistischen Partei, die auch von ihr ernannt werden. Vorstand Xu Lirong dient wenig überraschend auch als Parteisekretär des Staatsunternehmens. In internen Ideologiekursen, in denen beispielsweisedie jüngsten Reden von Staatschef Xi Jinping studiert werden, trichtern die Parteizellen unter den Mitarbeitern die nötige politische Loyalität ein.

Bei all dem ist Cosco auch ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Unternehmen. Die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2022 sind geradezu phänomenal: Sie weisen Gewinne in Höhe von umgerechnet etwas über 9 Milliarden Euro aus, knapp drei Viertel der Gesamtgewinne im Vorjahr. Sehr überraschend ist das nicht, schließlich ist Cosco die einzige nennenswerte Containerreederei Chinas. Die globale Bedeutung der Reederei lässt sich anhand des „FortuneGlobal 500“-Ranking ablesen, die die erfolgreichsten Unternehmen lis­tet: ­Vor sechs Jahren lag Cosco noch auf dem 465. Platz, aktuell belegt man bereits den 127. Rang.

Die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2022 sind geradezu phänomenal

Überraschen sollte das nicht, schließlich ist Cosco das einzig nennenswerte Containerschiff-Unternehmen Chinas – dem immerhin größten Exporteur der Welt. Mit seiner Hafenexpansion möchte China – gerade angesichts einer zunehmend feindlichen US-Politik – seine Handelsflüsse auch mit eigener Infrastruktur im Ausland absichern.

Gleichzeitig nutzt der Staat gezielt ökonomische Abhängigkeiten, um politische Loyalitäten einzufordern. 2017 blockierte etwa ausgerechnet Griechenland, dessen wichtigster Hafen in chinesischer Hand ist, eine kritische EU-Stellungnahme zu Pekings Menschenrechtsverletzungen bei den Vereinten Nationen. Die Schattenseiten dieses engen wirtschaftlichen Austauschs haben die deutsche Sinologin Mareike Ohlberg und der australische Journalist Clive Hamilton in ihrem Buch „Die lautlose Eroberung“ erstmals umfassend recherchiert. „Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen“, heißt es. Und weiter: „In Xi Jinpings neuer Ära hat Peking seine wirtschaftliche Staatskunst zu einem wirkungsvollen Instrument der politischen Einflussnahme weiterentwickelt.“

Eine häufig angewandte Taktik ist yishang bi zheng, übersetzt bedeutet das in etwa: „Unternehmen einsetzen, um die Regierung unter Druck zu setzen“. Nicht ohne Grund behält Peking sämtliche Teile seiner logistischen Wertschöpfungskette fest in staatlicher Hand: Sämtliche Häfen sowie Reedereien und einzelne Schiffe sind in der Hand der Kommunistischen Partei.

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